Sturmklingeln erlaubt
Sturmklingeln erlaubt
Wie das Amtsgericht München feststellte, kann von einem Eingriff in die Privatsphäre keine Rede sein, wenn ein Schreiben an der geöffneten Wohnungstür übergeben wird. Dabei spielt es keine Rolle, wenn der Überbringer zuvor Sturm klingelte.
In dem Verfahren ging es um eine Mieterin, der Ende Oktober 2011 wegen seit August 2011 nicht gezahlter Mieten gekündigt wurde. Ihr war bereits im Juli 2011 gekündigt worden. Diese Kündigung konnte sie jedoch abwenden, da sie die Mieten für die Monate von Dezember 2010 bis Mai 2011 nachgezahlt hatte.
Die Mieterin lehnte die Kündigung ab und machte Gegenansprüche geltend. Dem Vermieter warf sie vor, in seine Privatsphäre eingegriffen, seine Gesundheit beschädigt und die seine Ausübung der elterlichen Sorge beeinträchtigt zu haben.
Der Vermieter habe im Juli mehrere Schreiben an die Mieterin gerichtet. Diese Briefe hatte die Tochter des Vermieters persönlich überbracht. Dabei – so der Vorwurf der Mieterin – habe die Tochter an ihrer Wohnungstür „sturm geklingelt“. Dies habe bei der siebzehnjährigen Tochter der Mieterin zu erheblichen Angstzuständen geführt. Die Tochter sei deshalb zu ihrem Vater gezogen. Die Mieterin wies auf das enge Mutter-Tochter-Verhältnis hin, das durch den vom Vermieter ausgeübten „psychischen Druck“ zerstört habe. Sie forderte daher vom Vermieter 15 000 €.
Nach dem die Mieterin nicht auszog, klagte der Vermieter auf Räumung. Der Richter des Amtsgericht Münchens gab ihm recht und wies die Widerklage auf 15.000 € ab. Die fristlose Kündigung sei wegen des Zahlungsverzuges wirksam, Forderungen der Mieterin, mit denen sie aufrechnen könnte, bestünden nicht.
Das Übergeben von Schriftstücken an der geöffneten Haus- oder Wohnungstüre stelle keinen Eingriff in die Privatsphäre dar. Auch das „Sturmklingeln“ sei kein solcher Eingriff. Die Mieterin habe ja nicht öffnen müssen. Selbst wenn man einen Eingriff annehmen würde, wäre dieser unerheblich und würde keinen Schadenersatzanspruch nach sich ziehen. Darüber hinaus habe der Vermieter ein nachvollziehbares Interesse daran, wichtige Schreiben persönlich zu übergeben.
Der Vorfall stelle auch keinen Eingriff in die elterliche Sorge dar. Es sei nicht ersichtlich, dass und wie der Vermieter durch sein „Sturmklingeln“ in das Sorgerecht der Mieterin eingegriffen habe. Wenn sich die 17-jährige Tochter entscheide, zu ihrem Vater zu ziehen, könne dies nicht dem Vermieter zugerechnet werden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Tochter durch einen einmaligen Vorfall von „Sturmklingeln“ so unter psychischen Druck geraten sei, dass sie ausziehen musste.
Urteil des Amtsgerichts München vom 06.03.12, Aktenzeichen 473 C 31187/11