22. März 2013 von Hartmut Fischer
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Missbrauchskontrolle einseitiger Erhöhungsklauseln bei Gas-Sonderverträgen

Missbrauchskontrolle einseitiger Erhöhungsklauseln bei Gas-Sonderverträgen

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22. März 2013 / Hartmut Fischer

Eine Standardklausel in Verbraucherverträgen unterliegt auch dann einer Missbrauchskontrolle, wenn sie nur eine für eine andere Vertragskategorie geltende nationale Regelung aufgreift. Es ist Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob eine solche Klausel, die dem Gasversorger eine einseitige Preisanpassung erlaubt, den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Das Verfahren war von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Gang gesetzt worden. Die Verbraucherzentrale ließ sich die Rechte von 25 Verbrauchern abtreten und klagte gegen eine Standardklausel, mit der sich die RWE das Recht der einseitigen Preisänderung bei Kunden mit einem Sondertarif vorbehielt. Diese Klausel sah die Verbraucherzentrale als missbräuchlich an und verlangte die Erstattung von Zusatzzahlungen aus vier Preiserhöhungen. Insgesamt ging es um etwas über 16.000 Euro, was aber eine untergeordnete Rolle spielt, da es der Zentrale darum ging, eine Grundsatzentscheidung zu erreichen.

Das RWE meinte hingegen, dass die Klausel keiner Missbrauchskontrolle unterzogen werden müsse. Vonseiten des Gaslieferanten argumentierte man, die Klausel beziehe sich ausschließlich auf die für die Tarifkundenverträge geltende deutsche Regelung. Danach sei es dem Lieferanten zwar erlaubt, die Gaspreise einseitig zu ändern, ohne dies bezüglich des Grundes oder Umfangs zu erläutern, dass aber die Kunden informiert würden und das Recht zur Vertragskündigung hätten.

Die RWE unterlag vor dem Landes- und Oberlandesgericht und ging vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Revision. Dieser legte den Streit dem Europäischen Gerichtshof vor und bat um Prüfung des Sachverhaltes in Bezug auf den Verbraucherschutz der Union bezüglich missbräuchlicher beziehungsweise intransparenter Standardvertragsklauseln. Der BGH wollte vor allem geklärt wissen, ob Standardklauseln, die sich auf bindende Rechtsvorschriften beziehen, keiner Missbrauchskontrolle unterlägen. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass sie sehr wohl einer Missbrauchskontrolle unterliegen, wenn die aufgegriffenen Rechtsvorschriften, lediglich für andere Vertragskategorien gültig wären.

Bei Vertragsklauseln, die nach nationalen Rechtsvorschriften bestimmte Vertragskategorien regeln, könnten von der Missbrauchskontrolle ausgenommen werden. Hier sei davon auszugehen, dass der jeweilige Gesetzgeber die Rechte und Pflichten der Vertragspartner ausreichend abgewogen und berücksichtigt habe. Diese Regelung könne sich aber nicht auf Klauseln anderer Verträge beziehen, da dies den Vorstellungen vom Verbraucherschutz in der Union zuwiderlaufen würde.

Im vorliegenden Fall stellte der Europäische Gerichtshof klar, dass das europäische Recht grundsätzlich akzeptiere, dass Versorgungsunternehmen bei unbefristeten Verträgen daran interessiert sind, Preiskorrekturen vorzunehmen. Eine entsprechende Standardklausel muss jedoch den Vorgaben nach Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz entsprechen. Dies müsse im Einzelfall von den nationalen Gerichten geprüft werden.

Der Europäische Gerichtshof hat dabei folgende Kriterien aufgestellt, die bei einer Prüfung von den nationalen Gerichten besonders sorgfältig zu berücksichtigen seien:

  • Grund und Form der Tarifänderungen müssen so dargestellt werden, dass der Verbraucher die Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien nachvollziehen kann.
  • Der Verbraucher muss das angebotene Kündigungsrecht auch tatsächlich ausüben können. Hierzu müssen sowohl die Kündigungsformalitäten und –modalitäten ebenso eine Kündigung ermöglichen, wie beispielsweise die Marktverhältnisse.
  • Der Verbraucher muss deshalb auch in angemessener, klar verständlicher Form rechtzeitig über sein Kündigungsrecht informiert werden.

Der Europäische Gerichtshof erklärte, dass seine Entscheidung nicht nur auf zukünftige Verträge anzuwenden sei. Die Anwendung müsse auf alle Tarifveränderungen erfolgen, die seit Wirksamkeit der vom Gerichtshof beurteilten Bestimmungen erfolgten.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2013 – Aktenzeichen C-92/11

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