Fristlose Kündigung in der Verbraucherinsolvenz
Fristlose Kündigung in der Verbraucherinsolvenz
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage beschäftigt, ob der Vermieter dem Mieter fristlos kündigen kann, wenn dieser mit den Mietzahlungen in Verzug gekommen ist, der Verzug aber vor der Eröffnung der Verbraucherinsolvenz des Mieters entstanden ist.
In dem Verfahren stritt ein Vermieter, gegen einen Mieter, der die Wohnung 1988 anmietete. Mitte Juni 2010 wurde über das Vermögen des Mieters ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Die Treuhänderin erklärte daraufhin am 01.07.2010 die „Freigabe“ des Mietverhältnisses nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO.
Rechtliches
Auszug aus § 109 Insolvenzordnung (InsO):
(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über […] Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen ist, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist.
In der Zeit von März 2009 bis Oktober 2012 zahlte der Mieter seine Mieter nur teilweise oder gar nicht. Der Vermieter kündigte im Oktober 2012 wegen knapp 15.000 € Mietrückstände fristlos nach § 543 Abs. 2 BGB.
Rechtliches
Auszug aus § 543 BGB:
(1) Jede Partei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. […](2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn […]3. der Mieter […]b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der
Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für
zwei Monate erreicht.
Das Amtsgericht gab der Räumungsklage statt, das Landgericht wies sie ab. Im Revisionsverfahren war jedoch der Vermieter endgültig erfolgreich.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Kündigungssperre des § 112 Nr. 1 InsO mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung (auch Freigabeerklärung genannt) nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO entfällt. Eine außerordentliche Kündigung kann deshalb auch auf Mietrückstände gestützt werden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind.
Rechtliches
Auszug aus § 109 InsO: Schuldner als Mieter oder Pächter
(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über […] Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen ist, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist.
Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. […]
Auszug aus § 112 InsO Kündigungssperre
Ein Miet- oder Pachtverhältnis, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen ist, kann der andere Teil nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht kündigen:
1. wegen eines Verzuges mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der Zeit vor der Eröffnung eingetreten ist.
2. wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners.
Die Richter stellten klar, dass die Kündigungssperre (§ 112 Nr. 1 InsO) nicht zum Schutze des Mieters diene, sondern zum Schutze des Insolvenzmasse. Auch § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO solle lediglich verhindern, dass der Mieter ein Verbraucherinsolvenzverfahren nur um den Preis des Verlusts der Wohnung durch die Kündigung seitens des Treuhänders einleiten kann. Der soziale Mieterschutz wird auch im Insolvenzfall gewährleistet. Der Mieter könne die Kündigungsfolgen durch Zahlung der Mietrückstände aus seinem pfändungsfreien Vermögen abwenden. Außerdem könnten die Mietschulden auch im Insolvenzverfahren von Dritten (z. B. öffentlichen Stellen) übernommen werden.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.06.2015 – Aktenzeichen VIII ZR 19/14