Außerordentliche Kündigung und persönliche Härtegründe
Außerordentliche Kündigung und persönliche Härtegründe
Zu der Frage, in wieweit persönliche Härtegründe eines Mieters der außerordentlichen Kündigung durch den Vermieter entgegenstehen, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 09.11.2016 Stellung genommen (Aktenzeichen VIII ZR 73/16).
In dem Verfahren ging es um grobe Beleidigungen, die ein Mieter gegenüber seinem Vermieter schriftlich äußerte. Der Mieter war Betreuer einer 97jährigen Demenzkranken, die im selben Haus wohnte. Aufgrund der Beleidigungen kündigte der Vermieter gemäß § 543 Abs. 1 BGB.
Rechtliches
§ 543 Abs. 1 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund:
(1) 1 Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. 2 Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Der Mieter räumte die Wohnung nicht. Er begründete dies mit persönlichen Härtegründen und verwies darauf, dass er die Demenzkranke betreuen müsse. Ein Wechsel der Betreuungsperson würde für die kranke Dame schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen haben. Der Vermieter erhob nun Räumungsklage, die vom zuständigen Amtsgericht abgewiesen wurde., Vom Landgericht als Berufungsinstanz wurde der Klage jedoch stattgegeben. Die Richter des Landgerichts sahen in den groben Beleidigungen des Mieters ausreichende Gründe, die eine Fortsetzung des Mietvertrages für den Vermieter unzumutbar mache.
Die vom Mieter vorgebrachten persönlichen Härtegründe prüfte das Landgericht nicht. Die Richter vertraten die Ansicht, dass die Härtegrundprüfung erst während einer späteren Zwangsvollstreckung im Wege eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765 a ZPO geprüft werden müssten.
Rechtliches
§ 765 a ZPO, Abs. 1 Vollstreckungsschutz
(1) 1 Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
Im Revisionsverfahren entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass bei einer individuellen Abwägung über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung auch die schwerwiegenden persönlichen Härtegründe des Mieters berücksichtigt werden müssten. Dies könne nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Bestünde die Gefahr schwerwiegender Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar Lebensgefahr müsse dem auch aus verfassungsrechtlichen Gründen Rechnung getragen werden. Das Urteil des Landgerichts wurde deshalb vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Der Fall muss nun vom Berufungsgericht (Landgericht) neu verhandelt werden.