24. Juni 2024 von Hartmut Fischer
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Eigenbedarf bei „berechtigtem Interesse“

Eigenbedarf bei „berechtigtem Interesse“

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24. Juni 2024 / Hartmut Fischer

Will der Eigentümer (Rechtsanwalt) seine Eigentumswohnung zu Wohnzwecken und auch als Kanzlei nutzen, stellt dies möglicherweise ein „berechtigtes Interesse“ zur Kündigung des Mieters nach § 573 Abs. 1 BGB dar. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 10.04.2024 (Aktenzeichen VIII ZR 286/22).

Hier können Sie das Original-Urteil nachlesen

Berechtigtes Interesse

In dem Verfahren ging es um die Kündigung einer Dreizimmerwohnung in Berlin, die vom Mieter bereits seit 1977 bewohnt wurde. Im September 1982 wurde ein Mietvertrag geschlossen, nach dem das Mietverhältnis zum 1. Juli 1982 began. Laut Mietvertrag sollte eine Kündigungsfrist von 12 Monaten gelten , wenn seit Überlassung der Wohnung 10 Jahre vergangen waren.

Im Juli 2013 wurden die Wohnungen in dem Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Die Wohnung, um die es im Streit ging, wurde 2008 vom Kläger übernommen. Der neue Eigentümer – ein Anwalt  – kündigte dem Mieter ordentlich unter Berufung auf § 573 Abs. 1 BGB zum 31. Oktober 2021. Die Kündigung begründete er unter anderem damit, dass er die Wohnung selbst bewohnen und gleichzeitig als Anwaltskanzlei – eventuell auch mit Kollegen – nutzen wolle. Er sah darin ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses („Betriebsbedarf“).

Amt will Doppelnutzung genehmigen

Der Anwalt informierte auch das Bezirksamt Charlottenburg, das am 26.8.2021 mitteilte, dass man die beantragte gewerbliche Zweckentfremdung der Wohnung genehmigen wolle, wenn es sich hierbei um die Hauptwohnung des Anwalts handele.

Zweite Kündigung – ohne Fristangabe

Da die Mieter sich weigerten die Wohnung zu räumen, erklärte der Anwalt vorsorglich noch einmal die ordentliche Kündigung unter Berufung auf § 573 Abs. 1 BGB wegen „Betriebsbedarf“ – allerdings ohne ausdrückliche Terminangabe. Der Versuch, die Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtlich zu erzwingen, scheiterte in den Vorinstanzen. Darum ging der Anwalt in Revision vor den Bundesgerichtshof.

BGH besätigt die Kündigung

Dort hatte er Erfolg. Der BGH stellte zunächst fest, dass kein Fall von Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nummer 2 BGB vorliege, da die beabsichtigte Nutzung der Wohnräume gegenüber der Nutzung zu privaten Wohnzwecken überwiege. Die Richter stellten jedoch klar, dass die nachvollziehbaren, vernünftigen Gründe, die dazu führten, dass die Wohnung nicht nur zu Wohnzwecken genutzt werden sollte, zumindest den Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nummer 2 BGB nahe komme.

Nutzungswunsch vor Bestandsinteresse

In einer solchen Situation habe das Interesse des Vermieters auf die Rechterlangung Vorrang vor dem Bestandsinteresse des Mieters. Voraussetzung sei hier, dass der Nutzungswunsch vom Vermieter ernsthaft betrieben werde und vernünftig und nachvollziehbar begründet werde. Außerdem müsse individuell festgestellt werden, dass dem Vermieter bei Ablehnung seiner Interessen ein anerkennenswerter Nachteil entstünde.

Kündigungsinteresse grefit nicht

Der BGH entschied außerdem das im vorliegenden Fall die Kündigungssperre nach § 577a BGB der ordentlichen Kündigung nicht entgegenstehe, da die Wohnung erst nach der Umwandlung in Wohneigentum erworben wurde.

Der BGH legte die Kündigungssperre dahingehend aus, dass durch die Vorschriften ordentliche Kündigungen des Vermieters nicht generell erschwert werden sollten. Der Gesetzgeber habe lediglich bezwecken wollen, dass der Mieter einen höheren Kündigungsschutz erhalte, soweit sich die Kündigungen auf die in § 573 Abs. 2 Nr. 2 genannten Fälle beziehen (Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung).

terminangabe nicht zwingend

Der Anwalt hatte in der erste Kündigung die Kündigungsfrist nicht korrekt berechnet und in der zweiten keine Frist genannt. Das war für den BGH jedoch ohne Belang. Da die Angabe der Kündigungsfrist weder als Form- noch als Inhaltsvorschrift in § 568 BGB genannt wird, spielten die fehlerhaften beziehungsweise fehlenden Angaben im vorliegenden Fall keine Rolle. Die Fristangabe stehe auch nicht als Begründungserfordernis nach § 573 Abs. 3 BGB im Raum. Wenn nichts dagegen spreche, sei immer vom nächsten zulässigen Kündigungstermin auszugehen.


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