Fristlose Kündigung nach sieben Monaten?
Fristlose Kündigung nach sieben Monaten?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 13.07.2016 festgestellt, dass ein Mietverhältnis wegen Mietschulden fristlos gekündigt werden kann, auch wenn die Kündigung erst sieben Monate nach Entstehen der Mietschulden erfolgt (Aktenzeichen VIII ZR 296/15).
In dem Verfahren ging es um eine fristlose Kündigung, die wegen Mietrückständen ausgesprochen wurde, die zu diesem Zeitpunkt bereits etwas länger als sieben Monate bestanden. Der Räumungsklage wurde zunächst vom zuständigen Amtsgericht stattgegeben. Diese Entscheidung wurde jedoch vom Landgericht aufgehoben. Das Landgericht vertrat die Ansicht, dass eine fristlose Kündigung wegen des langen Zeitraums zwischen dem Entstehen des Kündigungsgrundes und der ausgesprochenen Kündigung nicht zulässig sei. Die Richter verwiesen hier auf § 314, Abs. 3 BGB. Danach kann eine Kündigung aus wichtigem Grund nur „innerhalb einer angemessenen Frist“ nachdem man vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, ausgesprochen werden. Die Mietschulden waren bereits im Februar und April entstanden, die fristlose Kündigung wurde jedoch erst am 15. November ausgesprochen. Aufgrund der Zeitspanne zwischen Entstehen des Kündigungsgrundes und Kündigung hätte der Mieter davon ausgehen dürfen, dass der Vermieter keine Kündigung aussprechen wolle. Hier spielte jedoch auch eine Rolle, dass es sich bei der Mieterin um eine ehemalige Küsterin handelte und der Vermieter die katholische Kirchengemeinde war. Deshalb habe die Mieterin annehmen dürfen, dass man aus sozialen und ethischen Gründen auf die Kündigung verzichte. Der Vermieter wollte sich mit dieser Entscheidung nicht abfinden und ging in Revision vor den Bundesgerichtshof (BGH).
Dort wurde die Entscheidung des Landesgerichts aufgehoben. Nach Meinung der Richter finde der § 314 Abs. 3 BGB hier keine Anwendung. Vielmehr seien die speziellen Bestimmungen des Mietrechts hier anzuwenden (§§ 543, 569 BGB).
Rechtliches
§ 543 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
1. dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2. der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3. der Mieter
a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn 1. eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, 2. die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder 3. der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
Rechtliches
§ 569 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt für den Mieter auch vor, wenn der gemietete Wohnraum so beschaffen ist, dass seine Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Dies gilt auch, wenn der Mieter die Gefahr bringende Beschaffenheit bei Vertragsschluss gekannt oder darauf verzichtet hat, die ihm wegen dieser Beschaffenheit zustehenden Rechte geltend zu machen.
(2) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt ferner vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2a) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Absatz 1 liegt ferner vor, wenn der Mieter mit einer Sicherheitsleistung nach § 551 in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht. Die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten sind bei der Berechnung der Monatsmiete nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen. Einer Abhilfefrist oder einer Abmahnung nach § 543 Absatz 3 Satz 1 bedarf es nicht. Absatz 3 Nummer 2 Satz 1 sowie § 543 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:
1. Im Falle des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Dies gilt nicht, wenn der Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist.
2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist.
3. Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.
(4) Der zur Kündigung führende wichtige Grund ist in dem Kündigungsschreiben anzugeben.
(5) Eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Mieters von den Absätzen 1 bis 3 dieser Vorschrift oder von § 543 abweicht, ist unwirksam. Ferner ist eine Vereinbarung unwirksam, nach der der Vermieter berechtigt sein soll, aus anderen als den im Gesetz zugelassenen Gründen außerordentlich fristlos zu kündigen.
Der BGH vertrat die Ansicht, dass aus den §§ 543 und 569 BGB keine zeitliche Begrenzung bezüglich einer fristlosen Kündigung abgeleitet werden könne. § 314 Abs. 3 BGB käme hier nicht zur Anwendung, da auch in den einschlägigen BGB-Vorschriften zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung kein Bezug genommen werde. Das BGH erklärte deshalb die Entscheidung des Amtsgerichts für Rechtens und hob das Urteil des Landgerichts auf. Damit war die fristlose Kündigung – auch nach sieben Monaten – rechtens.