Grenzen der Verkehrssicherungspflicht
Grenzen der Verkehrssicherungspflicht
Grundsätzlich hat der Vermieter im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht dafür zu sorgen, dass Gefahren, die von der Immobilie und dem Grundstück ausgehen, beseitigt werden. Doch diese Verpflichtung ist nicht grenzenlos. Man kann eine vollständige Gefahrlosigkeit nicht erwarten. Der Vermieter habe deshalb dafür zu sorgen, jene Gefahren zu beseitigen, vor denen ein sorgfältiger Benutzer sich nicht selbst schützen kann. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Landgerichts Nürnberg Fürth vom 22.01.2020 (Aktenzeichen 7 S 693/19).
In dem Verfahren ging es um ein Kind (9 Jahre), das beim Spielen mit seinen Geschwistern im Hof des Mietgebäudes mit dem Fahrrad schwer gestürzt war. Der Sturz sollte nach Angaben des Kindes auf eine beschädigte Bodenplatte zurückzuführen sein. Darum reichten die Eltern im Namen ihres Kindes gegen den Vermieter Klage beim Amtsgericht Nürnberg ein. Aufgrund der schweren Verletzungen, die das Kind davongetragen hatte, klagte man nicht nur auf Kostenerstattung, sondern forderte gleichzeitig ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro.
Die Klage wurde jedoch vom Amtsgericht abgewiesen. Der Richter sah im vorliegenden Fall keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters, da es sich bei dem Hof am Mietsgebäude um keinen öffentlich zugänglichen Bereich handele, auf dem mit Publikumsverkehr zu rechnen sei.
Da die Familie bereits seit einem halben Jahr in dem Haus wohnte, wäre das Kind auch mit den Gegebenheiten im Hof vertraut. Der Vermieter durfte davon ausgehen, dass den Mietern bekannt war, in welchem Zustand sich die Bodenplatten befanden. Deshalb hätte man auch keine Warntafeln anbringen oder ähnliche Maßnahmen ergreifen müssen.
Dass das Kind erst neun Jahre alt war, änderte nichts an der grundsätzlichen Einschätzung des Gerichts. Nach dessen Meinung konnte der Vermieter davon ausgehen, dass die Eltern ihre Kinder auf die Gefahren hingewiesen hätten, die von den Platten ausgingen. Die Eltern hätten ihre Kinder dahingehend belehren können, dass man im Hof vom Fahrrad absteigen müsse oder aber die Platten umfahren müsse. Letzteres wäre im vorliegenden Fall möglich gewesen.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legten die Eltern im Auftrag ihrer Tochter vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth Berufung ein. Doch auch hier hatte man keinen Erfolg – die Berufung wurde zurückgewiesen.
In seiner Begründung führte das Landgericht zunächst aus, dass der Vermieter zwar grundsätzlich im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht zu Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet sei. Allerdings sei diese Verpflichtung nicht unbegrenzt. Es könnten nur Sicherheitsvorkehrungen erwartet werden, die ein verständiger und umsichtiger Vermieter für ausreichend halten darf, um Mieter und deren Angehörige vor Schäden zu bewahren. Außerdem müssen die Maßnahmen auch für den Vermieter in einem den Umständen entsprechenden zumutbaren Rahmen liegen.
Dies bedeute aber nicht, dass ein Mietobjekt grundsätzlich frei von allen Mängeln und insgesamt gefahrlos sein müsse. Hier sei auch der Mieterin der Pflicht. Er müsse sich schon den gegebenen Verhältnissen anpassen, da man nicht erwarten könne, dass ein Mietobjekt keinerlei Gefahren aufweise. Eine Beseitigung aller Gefahren sei nicht immer mit zumutbaren Mitteln erreichbar und könne deshalb auch nicht vom Vermieter verlangt werden.
Fotos von der Unfallstelle belegten aber, dass die Unebenheiten für einen aufmerksamen Benutzer sofort erkannt werden konnten. Die Gefahrenstellen wären auch nicht überraschend, da sie bereits seit längerer Zeit bestünden. Deshalb bedauerte das Gericht zwar den schlimmen Sturz der Neunjährigen. Er müsse aber als allgemeines Lebensrisiko angesehen werden.
Vor diesem Hintergrund habe sich in dem sehr bedauerlichen und folgenreichen Sturz der Klägerin lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht.
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