30. Juni 2024 von Hartmut Fischer
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Grenzen des bayerischen Fensterrechts

Grenzen des bayerischen Fensterrechts

© peterivey hansen / vecteezy

30. Juni 2024 / Hartmut Fischer

Keinen Erfolg hatte ein Kläger vor dem Oberlandesgericht Nürnberg. Er wollte gegenüber seinem Nachbarn das bayerische „Fensterrecht“ durchsetzen. Das Gericht entschied, dass er von seinem Nachbar nicht verlangen könne, dass dieser die grenzseitig befindlichen Fenster großflächig blickdicht gestaltet und geschlossen hält. (Urteil vom 18.06.2024 – Aktenzeichen 6 U 2481/22).

Nachbarn verlangt verschlossene Fenster

In dem Verfahren verlangte ein Nachbar vom Hausbesitzer, die Fenster in der auf seine Grundstücksseite zugewandten Häuserwand umzubauen. Die Fenster sollten verschlossen werden und nicht mehr zu öffnen sein. Außerdem sollte die Durchsicht bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Boden nicht mehr möglich sein. Der Kläger berief sich hierbei auf das sogenannte „Fensterrecht“.


Das „Fensterrecht bezieht sich auf das bayerische Nachbarrecht. Artikel 43 des AGBGB (BGB-Ausführungsgesetz) lautet:
„Art. 43 Fensterrecht
(1) Sind Fenster weniger als 0,60 m von der Grenze eines Nachbargrundstücks entfernt, auf dem Gebäude errichtet sind oder das als Hofraum oder Hausgarten dient, so müssen sie auf Verlangen des Eigentümers dieses Grundstücks so eingerichtet werden, dass bis zur Höhe von 1,80 m über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das Öffnen noch das Durchblicken möglich ist. Die Entfernung wird von dem Fuß der Wand, in der sich das Fenster befindet, unterhalb der zunächst an der Grenze befindlichen Außenkante der Fensteröffnung ab gemessen. …“


Grenzbau wegen geteiltem Grundstück

Die beiden Gebäude stehen auf einem Grundstück, das im Jahr 2000 geteilt wurde. Das Haus des Klägers wurde 2017 errichtet. Der Beklagte wohnt in dem anderen Haus seit 2019. Durch die Teilung wurde aus dem Haus des Beklagten ein sogenannter Grenzbau. Durch die nachträgliche Trennung des Grundstücks befindet sich die zum Klägerhaus zugewandte Wand an der Immobilie des Beklagten ca. 60 cm von der Grenze entfernt. In der Wand befindet sich neben einigen Fenstern auch eine Balkonfenstertür.

Landgericht unterstützt den Nachbarn

Das Landgericht Nürnberg gab dem Kläger weitestgehend recht. Hiergegen wehrte sich der Beklagte und ging in Berufung vor das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg. Hier konnte sich der Kläger nicht durchsetzen. Das OLG sah die auf das „Fensterrecht“ gestützten Anspruchsvoraussetzungen zwar als gegeben an. Die Durchsetzung des Anspruchs im konkreten Einzelfall stelle aber in der Gesamtwürdigung eine unbillige Härte dar.

Oberlandesgericht korrigert landgerichtsurteil

Das Gericht hatte sich in einem Ortstermin ein eigenes Bild von den konkreten Wohnverhältnissen gemacht. Die Richter inspizierten insbesondere die streitgegenständlichen Fenster und den zu verschattenden Fensterflächen. Die Richter machten sich außerdem ein Bild von den  Lichtverhältnissen in sämtlichen betroffenen Räumen und den Fluchtwegen der Wohnung des Beklagten.

„Fensterrecht“ verwehrt

Unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten in der Wohnung des Beklagten und nach Abwägung der jeweiligen Interessen beider Seiten stellte das Oberlandesgericht fest,  dass im vorliegenden Fall dem Kläger das nachbarrechtliche „Fensterrecht“ verwehrt werden  müsse. Maßgeblich war hierbei für das Gericht zum einen, dass bis zu 80 % der Fensterflächen von der blickdichten Gestaltung betroffen und eine ausreichende Licht- und Luftzufuhr der Wohnung nicht mehr gewährleistet wäre. Zum anderen hat das Gericht berücksichtigt, dass bei einem dauerhaften Verschließen der Balkontür auch der notwendige zweite Fluchtweg nicht mehr gegeben war. In Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände hielt das Gericht die Ausübung des „Fensterrechts“ daher für unzulässig.


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