Lärmbelästigung und Mietminderung
Lärmbelästigung und Mietminderung
Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung klargestellt, dass der Lärm, der von Kindern ausgeht nicht immer einen Grund darstellen kann, um die Miete zu mindern.
In dem Verfahren ging es um eine Parterre-Wohnung neben einer Schule, die rund 20 Meter entfernt nach dem Einzug des Mieters einen Bolzplatz einrichtete. Schilder auf dem Platz wiesen darauf hin, dass der Platz lediglich für Kinder bis 12 Jahren gedacht war und nur von Montags bis Freitags 18:00 Uhr genutzt werden durfte.
Der Mieter beschwerte sich nun bei seinem Vermieter, dass der Platz auch von Älteren und außerhalb der vorgegebenen Zeiten genutzt wurde. Aus diesem Grund kürzte er die Miete um 20 %. Dies hielt der Vermieter nicht für gerechtfertigt und klagte die zurückerhaltene Miete ein – vor dem Amts- und Landgericht allerdings ohne Erfolg.
Die Revision vor dem Bundesgerichtshof war jedoch erfolgreich. Grundsätzlich stellten die Richter fest, dass nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen– sogenannte „Umweltmängel“ – durchaus Gegenstand einer Vereinbarung über die Beschaffenheit der Mietwohnung sein können. Im Laufe der Zeit eintretende nachteilige Änderungen wegen eines Zurückbleibens der vereinbarten hinter der tatsächlich bestehenden Beschaffenheit können dann zu einem Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 BGB) führen.
Rechtliches
§ 536 BGB Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.
Der BGH widersprach jedoch der verbreiteten Praxis – bei Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon auszugehen, die Mietvertragsparteien hätten den bei Vertragsschluss vorgefundenen Wohnstandard zumindest stillschweigend festlegen wollen, dass dieser Zustand sich in Bezug auf Umwelteinflüsse über die Dauer des Mietverhältnisses hinweg nicht nachteilig verändern darf. Der Vermieter habe deshalb seinen Fortbestand jedenfalls im Wesentlichen zu garantieren.
Das Gericht führte aus, dass sich bei Fehlen entsprechender Vereinbarungen im Mietvertrag die Frage stelle, ob und in welchem Umfang der Mieter ein nachträglich verändertes Maß an Geräuschimmissionen hinzunehmen hat. Entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung vertrat das Gericht die Ansicht, dass ein Vermieter im Rahmen seiner nach § 535 Abs. 1 BGB bestehenden Pflicht, die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, nicht dafür einzustehen, dass sich ein bei Vertragsschluss hingenommenes Maß an Geräuschen vom Nachbargrundstück nicht nachträglich vergrößert, wenn er diese Geräusche selbst gegenüber dem Nachbarn gemäß § 906 Abs. 1 BGB*** (entschädigungslos) zu dulden hätte.
Rechtliches
§ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags
(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten…
Unmögliches könne der Mieter, wenn die Vertragsparteien das Ansteigen der Geräuschkulisse bei Vertragsschluss bedacht hätten, vom Vermieter nicht verlangen. Er hätte vielmehr nur verlangen können, dass der Vermieter einen von ihm nicht mehr zu duldenden Geräuschanstieg gegenüber dem Dritten abwehrt oder ihm eine Minderung zubilligt, wenn auch er selbst von dem Dritten für eine wesentliche, aber als ortüblich zu duldende Störung einen Ausgleich (vgl. § 906 Abs. 2 BGB) verlangen kann.
Vor diesem Hintergrund ist der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass in den hier neu aufgetretenen Lärmbelästigungen kein Mangel gesehen werden kann, wenn auch der Vermieter selbst die Belästigungen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten – etwa mit Rücksicht auf das bei Kinderlärm bestehende Toleranzgebot des § 22 Abs. 1a BImSchG – als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste.
Rechtliches
§ 22 BImSchG Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden […].
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
Ausdrücklich widersprach der BGH den Richtern der Vorinstanz, dass es darauf ankäme, das § 22 Abs. 1 a BImSchG erst im Jahr 2011 und damit lange nach dem Abschluss des Mietvertrages in Kraft getreten ist. Die Regelung sei nach dem Willen des Gesetzgebers darauf angelegt, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich auszustrahlen, sofern dieses für die Bewertung von Kinderlärm relevant sei.
Da hierzu die erforderlichen Feststellungen – insbesondere die Frage, ob die von den Beklagten geltend gemachten Lärmbelästigungen von Kindern oder von (nicht unter die Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG fallenden) Jugendlichen oder jungen Erwachsenen verursacht werden – bisher nicht getroffen sind, wurde die Vorentscheidung aufgehoben und das Verfahren an das zuständige Landgericht zurückverwiesen.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2015 – Aktenzeichen VIII ZR 197/14