29. Dezember 2023 von Hartmut Fischer
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Lüge ist nicht immer ein Kündigungsgrund

Lüge ist nicht immer ein Kündigungsgrund

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29. Dezember 2023 / Hartmut Fischer

Macht ein Mieter in einem Räumungsprozess wissentlich falsche Angaben, bedeutet das nicht zwingend, dass dies einen Kündigungsgrund darstellt. Die Lüge muss im Gesamtzusammenhang bewertet werden. Danach ist zu entscheiden, ob es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Mieters handelt und eine Kündigung rechtfertigt. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 25.10.2023 (Aktenzeichen VIII ZR 147/22)

Lüge des Mieters bei räumungsprozess

Ausgelöst wurde das Verfahren durch einen Räumungsprozess, den der Vermieter wegen ein seiner Meinung nach unerlaubten Hundehaltung anstrengte. In einer Anhörung vor Gericht meinte der Mieter, dass es nicht um den Hund gehe, sondern  darum, ihn aus der Wohnung heraus zu „mobben“.

Außerdem gab der Mieter an, dass er vom Hausverwalter ausländerfeindlich beleidigt wurde. Darüber hinaus berichtete er von einem Gespräch, dass er zufällig mitgehört habe, aus dem sich ergab, dass das Haus verkauft werden sollte. Der potenzielle Käufer habe dabei gesagt, dass er das Haus nur ohne Mieter kaufen würde. Dieses Gespräch hatte aber nie stattgefunden.

vermieter kündigt erneut wegen der Lüge

Der Vermieter bestritt die Verkaufsabsicht. Da nie ein Gespräch, wie vom Mieter behauptet, stattgefunden hatte, sprach er noch während des Verfahrens wegen der Lüge des Mieters eine weitere Kündigung aus. Er konnte sich aber vor Gericht nicht durchsetzen.

Der Vermieter ging in Berufung und bekam vom Landgericht Recht. Die Frage der unerlaubten Hundehaltung ließ das Gericht bei seiner Entscheidung außer Betracht. Die wegen der Lüge über ein Verkaufsgespräch ausgesprochene Kündigung sei auf jeden Fall wirksam.

BGH: Hintergrund der Lüge muss geprüft werden

Gegen diese Entscheidung wehrte sich nun der Mieter – und konnte sich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) durchsetzen. Die Richter vertraten die Ansicht, dass die Lüge in der Anhörung nicht unbedingt eine Kündigung rechtfertigte.

Eine Kündigung des Vermieters setze das berechtigte Interesse voraus, das Mietverhältnis zu beenden. Die sei beispielsweise der Fall, wenn der Mieter seine Pflichten schuldhaft und nicht unerheblich verletzt habe (§ 573 Abs. 2 BGB). Ob solche Pflichtverletzungen vorliegen, müsse im Einzelfall geprüft werden. Bei der Bewertung spiele es auch eine Rolle, wenn dem Verhalten des Mieters ein vertragswidriges Verhalten des Vermieters vorangegangen sei. Darum müsse auch eine unberechtigte Kündigung durch den Vermieter bei der Bewertung berücksichtigt werden.

bgh: lüge muss keine schwerwiegende Pflichtveerletzung sein

Grundsätzlich stellen Lügen des Mieters im Rahmen eines Mietrechtsstreits eine Pflichtverletzung dar. Man könne aber nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass es sich dabei auch um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handele. Im vorliegenden Fall müssen die Behauptungen des Mieters im Gesamtzusammenhang der Situation gesehen werden.

BGH bewertet Lüge als „untergeordnet”

Der Mieter hatte subjektiv festgestellt, dass er aus dem Haus „herausgemobbt“ werden sollte. Er begründete dies damit, dass das Haus mietfrei verkauft werden sollte und er ausländerfeindlich vom Hausverwalter verbal angegriffen wurde. Dies mag der Grund gewesen sein, dass er ein Gespräch erfunden habe, um seine Einschätzung zu untermauern. In diesem Zusammenhang war nach Ansicht des Gerichts die Lüge von untergeordneter Bedeutung.

Darüber hinaus bewertete das Gericht die Lüge als nicht so schwerwiegend, wenn man davon ausgehen könne, dass der Hausverwalter sich tatsächlich ausländerfeindlich verhalten habe. Wenn dies so war, so der BGH, würde die Vermutung, dass der Mieter „herausgemobbt“ werden sollte, weiter in den Vordergrund der Bewertung des Falls geraten. Das behauptete Gespräch trete damit noch weiter in den Hintergrund.

Käme noch hinzu, dass die Lüge als Abwehr gegen eine unberechtigte Kündigung zu verstehen sei und dadurch  weiter an Gewicht.

Da diese Punkte noch nicht geklärt waren, verwies der BGH das Verfahren an das Landgericht zurück. Es solle nun unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs die einzelnen offenen Fragen klären und auf der ermittelten Sachlage entscheiden, ob eine Kündigung im vorliegenden Fall gerechtfertigt ist.

Das Landgericht muss nun den Sachverhalt weiter aufklären und dann unter Beachtung der vom BGH genannten Leitlinien erneut entscheiden, ob den wahrheitswidrigen Angaben ein solches Gewicht zukommt, dass eine Kündigung gerechtfertigt ist.

 

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