Sichtverlust ist kein Grunstücksmangel
Sichtverlust ist kein Grunstücksmangel
Da hat man ein schönes Grundstück mit Blick ins Tal erworben – und dann baut einem jemand die schöne Aussicht zu. Das ist ärgerlich. Wenn das Grundstück von der Gemeinde verkauft wurde und in einem Expose im Internet nur kleinere Gebäude abgebildet wurden – kann man dann nicht die Kommune schadensersatzpflichtig machen? Diese Frage musste jetzt das Oberlandesgericht Brandenburg klären.
In dem Verfahren stritten die Käufer eines Grundstücks mit der Gemeinde, von der sie den Baugrund – unter Ausschluss der Gewährleistung – mit notariell bestätigtem Kaufvertrag erworben hatten. Auf dem Gelände bauten sie dann ein zweistöckiges Wohnhaus. Zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs befanden sich noch keine Gebäude auf den Nachbarparzellen.
In den folgenden Jahren wurden jedoch auf den benachbarten Grundstücken dreigeschossige Gebäude als Fünf-Parteien-Häuser errichtet. Die nach dem Kauf des Grundstücks gebauten Immobilien versperrten den Klägern die Sicht auf den Ort. Die Kläger hatten sich auf ein Expose der Gemeinde verlassen, das im Jahr 2002 veröffentlich wurde. Danach waren sie nicht davon ausgegangen, dass ihnen die Sicht durch andere, höhere Gebäude verbaut würde.
Darum klagten sie gegen die Kommune und forderten Schadenersatz. Sie gingen davon aus, dass die verbaute Sicht einen Sachmangel am Kaufgegenstand darstelle. Allerdings hatten die Grundstückskäufer mit Ihrer Klage vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg keinen Erfolg.
Die Richter konnten keinen Sachmangel feststellen. Die Bebauungsabsichten auf den Nachbargrundstücken, so argumentierte das OLG Brandenburg, könnten nicht als Mangel der physischen Beschaffenheit des Kaufgegenstandes angesehen werden. Die im Expose der Gemeinde dargestellte Bauweise könne auch nicht so ausgelegt werden, dass die Gemeinde hieraus hätte schließen müssen, die Käufer würden das Grundstück nur unter der Voraussetzung erwerben, dass keine andere Bauweise in dem Gebiet zugelassen würde.
Die Grundstückskäufer könnten hier nur Rechte ableiten, wenn dieser Umstand im Kaufvertrag eindeutig geregelt worden wäre. Hierzu hätte man dann etwaige Rechtsfolgen für die Nichterfüllung dieser Auflagen vereinbaren müssen. Im Kaufvertrag war hierüber aber nichts vereinbart. Aus diesem Grunde könne auch kein Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werden.
Auch könne nicht von einer Beschaffenheitsgarantie nach § 443 Absatz 1 BGB seitens der Gemeinde ausgegangen werden. Im BGB heißt es hier: „Übernimmt der Verkäufer oder ein Dritter eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache oder dafür, dass die Sache für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit behält (Haltbarkeitsgarantie), so stehen dem Käufer im Garantiefall unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche die Rechte aus der Garantie zu den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen gegenüber demjenigen zu, der die Garantie eingeräumt hat.“ Es könne auch von keiner Arglistigkeit beim Verkauf des Grundstücks ausgegangen werden, so dass eine Haftung nach § 444 BGB ebenfalls ausgeschlossen sei.
Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 14.10.2010, Aktenzeichen 5 U 82/09