Trotz gerechtfertigter Eigenbedarfskündigung: Familie mit vier Kleinkindern darf bleiben
Trotz gerechtfertigter Eigenbedarfskündigung: Familie mit vier Kleinkindern darf bleiben
© oleg tsiganok/shutterstock
Eine Familie mit vier Kleinkindern hat es schwer, geeigneten Wohnraum anzumieten. Wenn die Familie von ALG-II-Leistungen lebt, erschwert das die Suche umso mehr. Deshalb ist es glaubhaft, dass eine Ersatzbeschaffung so gut wie ausgeschlossen ist. In dieser Situation kann sich der Mieter auf einen Härteeinwand nach § 574 Abs. 2 BGB berufen, sodass er trotz einer gerechtfertigten Eigenbedarfskündigung die Wohnung nicht räumen muss. Zu diesem Ergebnis kam das Amtsgericht Lübeck in einem Urteil vom 01.02.2022 (Aktenzeichen 33 C 1544/21).
vermieterin will wohnung selbst nutzen
In dem Verfahren klagte eine Vermieterin, um eine Eigenbedarfskündigung durchzusetzen. Sie gab an, die Wohnung in Lübeck selbst nutzen zu wollen, da sie sich von ihrem Partner getrennt habe. Sie sei deshalb auf die Wohnung angewiesen.
mieter findet keine ersatzwohnung
Gegen die Kündigung wehrten sich die Mieter. Sie machten Härteeinwände geltend. Die Mieter waren Eltern von vier Kleinkindern. Sie bezogen für ihren Lebensunterhalt Leistungen nach ALG II. Ihnen gelang es nicht, eine Ersatzwohnung zu finden und anzumieten. Diese Einwände ließ die Mieterin nicht gelten. Sie strengte eine Räumungsklage vor dem Amtsgericht Lübeck an.
amtsgericht bestätigt berechtigtes interesse
Die Vermieterin konnte sich jedoch vor dem Amtsgericht nicht durchsetzen. Dort entschied man, dass sie keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung geltend machen könne. Das Gericht räumte ein, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB habe.
mieter kann dennoch in der wohnung bleiben
Dem stünden aber Härtegründe aufseiten des Mieters nach § 574 BGB entgegen. Das Gericht bezog sich hier insbesondere auf 574 Abs. 2 BGB („Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.“). Dem Gericht sei bekannt, dass der Wohnungsmarkt in Lübeck äußerst schwierig sei. Für Mietinteressenten, die nur geringe Mieten zahlen könnten, wäre es besonders schwierig, Wohnraum zu finden.
Im vorliegenden Fall käme noch hinzu, dass die Mieter eine große Wohnung benötigen, in der man mit vier Kleinkindern leben könne. Bei solchen großen Wohnungen stehe man aber in Konkurrenz mit finanziell besser gestellten Interessenten.
Die Vermieterin habe es hingegen als Single vergleichsweise leicht, eine Wohnung für eine Person zu finden. Dies sei umso leichter, da sie auf keine staatlichen Hilfen angewiesen sei.
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