13. März 2020 von Hartmut Fischer
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Wann ist eine Verwertungskündigung möglich?

Wann ist eine Verwertungskündigung möglich?

13. März 2020 / Hartmut Fischer

Das Landgericht Osnabrück  hat die Anforderungen an die „ Verwertungskündigung“ nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) präzisiert. Danach ist es dem Vermieter erlaubt, den Mietvertrag zu kündigen, wenn er nur so die Immobilie wirtschaftlichen verwerten kann und ihm durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen. Mit seinem Urteil vom 29. Januar 2020 (Az. 1 S 117/19) hat das Landgericht Osnabrück jedoch deutlich gemacht, dass die Hürden für eine solche Kündigung hoch sind.

Geklagte hatte eine Gemeinde die Eigentümerin eines Gebäudes mit ursprünglich vier Wohnungen war. Tatsächlich lebte jedoch nur noch ein Mieter in dem Haus. Er nutzte für eine Monatsmiete von 40,00 € das gesamte Dachgeschoss mit zwei Wohnungen, von denen er aber nur eine angemietet hatte. Im Übrigen stand das Haus leer. Die Miete hatte die Gemeinde zuletzt in den 1950er Jahren erhöht. Sanierungsmaßnahmen an dem Gebäude wurden seit Jahrzehnten nicht durchgeführt. Dadurch entstand ein erheblicher Investitionsstau.

Die Gemeinde wollte das Gebäude verkaufen und kündigte dem Mieter. Sie begründete diese Kündigung dahingehend, dass eine Sanierung wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Es gäbe außer dem Verkauf keine sinnvolle Nutzung der Immobilie. Das Haus ließe sich aber nur verkaufen, wenn sich keine Mieter im Haus befänden. Der Mieter akzeptierte die Kündigung nicht und hielt sie für unwirksam. Die Kommune klagte deshalb vor dem zuständigen Amtsgericht.

Amtsgericht hält Verwertungskündigung für berechtigt

Dort hatte die Gemeinde auch Erfolg. Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB als gegeben an.


§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

  1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
  2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
  3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.


Das Amtsgericht bestätigte das berechtigte Interesse, das Gebäude zu verkaufen. Veräußerbar sei das Haus aber nur im geräumten Zustand. Im vermieteten Zustand sei hingegen ein Verkauf unmöglich, da durch die geringe Miete eine Sanierung nicht zu refinanzieren sei. Eine Sanierung des Gebäudes durch die Gemeinde, sei aus demselben Grund ebenfalls wirtschaftlich nicht zumutbar. Dass die Kommune über Jahrzehnte nichts in das Haus investiert habe, spiele keine Rolle. Schließlich habe der Mieter weder Mängel angezeigt noch sonst Reparaturmaßnahmen verlangt. Der Mieter akzeptierte das Urteil nicht und ging vor dem Landgericht Osnabrück in Berufung.

Landgericht verwirft Entscheidung des Amtsgerichts

Dort konnte er sich durchsetzen. Das Landgericht hob das Urteil des Amtsgerichts auf und wies die Räumungsklage der Gemeinde ab. Das Landgericht sah keine Grundlage für eine Verwertungskündigung. Zur Begründung führte das Landgericht aus, ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar sei, sei eine Frage der Abwägung. Diese falle hier zum Nachteil der Gemeinde aus.

Geringe Rendite wird Eigentümer angelastet 

Nach Überzeugung des Landgerichts war zunächst zu berücksichtigen, dass die geringe Rendite des Objekts letztlich auf Versäumnissen der Gemeinde beruhte, ebenso der hohe Sanierungsaufwand. Die Gemeinde hatte nach den Feststellungen des Landgerichts die Miete seit mehr als 50 Jahren nicht erhöht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem hatte sie das Haus über Jahrzehnte verfallen lassen. Dabei spielte in den Augen des Landgerichts keine Rolle, dass dies nicht von vorneherein mit dem Ziel geschehen war, später eine Verwertungskündigung auszusprechen. Unerheblich war für das Landgericht auch, dass der Mieter seinerseits nie Mängel angezeigt habe. Als Vermieter wäre die Gemeinde vielmehr, so das Landgericht, von sich aus verpflichtet gewesen, die Immobilie laufend instand zu halten (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gegen diese Pflicht habe sie erkennbar verstoßen und das Haus dem sichtbaren Verfall preisgegeben.

Verkauf auch vermietet zumutbar

Das Landgericht kam außerdem zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe nicht ausreichend belegen können, dass tatsächlich ein Verkauf des Hauses im vermieteten Zustand nicht zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen möglich sei. Bei der Frage, ob zur wirtschaftlichen Verwertung einer Immobilie die Kündigung der bestehenden Mietverhältnisse erforderlich sei, komme es generell darauf an, welcher Preis im vermieteten Zustand und welcher im unvermieteten Zustand zu erzielen sei. Ein gewisser Preisnachteil durch einen Verkauf im vermieteten Zustand sei dem Vermieter dabei zumutbar.

Insoweit hatte die Gemeinde aus Sicht des Landgerichts keine ausreichenden Bemühungen unternommen, das Haus überhaupt im vermieteten Zustand anzubieten. Den aus Sicht des Landgerichts gebotenen Versuch, durch Angebote im Internet oder über einen Makler die Immobilie einem größeren Personenkreis im vermieteten Zustand anzubieten, hatte die Gemeinde nicht unternommen. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt war jedoch nach Überzeugung des Landgerichts keineswegs fernliegend, dass man so einen Käufer gefunden hätte,  der das Haus auch im vermieteten Zustand zu einem attraktiven Preis übernommen hätte.

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