Im letzten Jahr Elterngeld, Krankengeld oder Kurzarbeit erhalten und jetzt landet eine saftige Steuernachzahlung im Briefkasten? Steuerfreie Ersatzleistungen können dazu führen, dass mehr Steuern fällig werden. Schuld dran ist der Progressionsvorbehalt. Was es damit auf sich hat und wie man doch noch Chancen auf Steuerrückzahlungen hat, zeigen wir hier.
Schnelleinstieg
Kurz & knapp
- Mehr Gehalt bedeutet auch einen höheren Steuersatz
- Bei vielen Sozialleistungen wie Kurzarbeitergeld oder Elterngeld droht eine Steuernachzahlung
- Verluste und Rückzahlungen können die Steuerlast mindern
- Wer Lohnersatz erhalten hat, muss eine Steuererklärung abgeben
Progressionsvorbehalt – was ist das?
Während einer länger dauernden Krankheit, Elternzeit oder Arbeitslosigkeit fließt grundsätzlich kein Arbeitslohn bzw. Gehalt vom Arbeitgeber. Stattdessen gibt es finanzielle Unterstützung vom Staat.
Diese Ersatzleistungen – auch Lohnersatzleistungen genannt – sind steuerfrei. Es gibt aber einen Haken: Denn die Zahlungen werden zwar nicht direkt versteuert, aber fließen in die Berechnung des persönlichen Steuersatzes ein und wirken sich auf das gesamte Einkommen aus. Dabei gilt: Je höher das Einkommen, desto höher der Steuersatz. Und dadurch kommt es in den meisten Fällen zu einer Steuernachzahlung.
Die steuerfreien Ersatzleistungen erhöhen also den individuellen Steuersatz, mit dem das gesamte Einkommen versteuert wird – das nennt man Progressionsvorbehalt.
Übrigens: Hast du mit deinem Partner die Zusammenveranlagung gewählt, wird bei der Ermittlung des Gesamteinkommens das Einkommen des einen Partners zu den erhaltenen Lohnersatzleistungen des anderen Partners addiert.
Beispiel Progressionsvorbehalt & Steuernachzahlung
Allerdings hast du 2021 Kurzarbeitergeld und Krankengeld von zusammen 6.000 Euro erhalten. Dein Gesamteinkommen beträgt somit 36.000 Euro und wird mit einem durchschnittlichen Steuersatz von 19,40 Prozent belastet. Damit sind 5.821 Euro an Abgaben fällig – wegen der steuerfreien Lohnersatzleistungen musst du also 730 Euro mehr an Steuern zahlen.
Die Steuerberechnung enthält aus Vereinfachungsgründen keine Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag,
Hintergrund zum Progressionsvorbehalt
Die Einkommensteuer basiert auf der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers. Das bedeutet: Wie viel Steuern man zahlen muss, hängt von dem Gesamteinkommen ab. Je mehr Einkommen du also hast, desto höher ist dein individueller Steuersatz.
Die steuerfreien Einkommens- oder Lohnersatzleistungen etwa Kranken- oder Elterngeld werden zum Gesamteinkommen dazu addiert. Dadurch fließen sie in die Berechnung des individuellen Steuersatzes (Steuerprogression) ein und erhöhen ihn auf diese Weise. Das bezeichnet man als Progressionsvorbehalt: Die Leistungen sind vorbehaltlich der Erhöhung des Steuersatzes steuerfrei.
Dies führt zu einer höheren Besteuerung deiner übrigen Einkünfte, als es ohne die Ersatzleistungen der Fall wäre. Zahlen musst du die Steuer am Ende aber nur auf deine steuerpflichtigen Einnahmen – also zum Beispiel dein Gehalt.
Einkünfte aus dem Ausland unterliegen ebenfalls dem Progressionsvorbehalt
Welche Lohnersatzleistungen unterliegen dem Progressionsvorbehalt?
Welche steuerfreien Einnahmen dem Progressionsvorbehalt unterliegen, regelt das Einkommensteuergesetz. Und das sind eine ganze Menge:
- Arbeitslosengeld I
- Kurzarbeitergeld
- Krankengeld oder vergleichbare Lohnersatzleistungen
- Mutterschaftsgeld
- Entschädigungen für Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz
- steuerfreie Aufstockungsbeträge oder Zuschläge
- Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
- Einkünfte, die zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind
Diese Lohnersatzleistungen unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt
Die gute Nachricht: Es gibt aber auch zahlreiche Leistungen, die nicht besteuert werden und trotzdem nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Beispielsweise sind das:
- Arbeitslosengeld II
- Betreuungsgeld
- Gründungszuschuss
- Krankentagegeld einer privaten Krankenversicherung
- Sozialhilfe
- Überbrückungsgeld nach dem SGB III
Folgendes gilt für im Rahmen der Corona-Hilfe gezahlte Hilfeleistungen
- Der einmalige Arbeitgeber-Zuschuss bis 1.500 Euro ist steuerfrei und unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt.
- Sofort-Hilfe, Überbrückungshilfe, Nothilfe unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt und müssen als Betriebseinnahme angegeben und versteuert werden.
Negativer Progressionsvorbehalt verringert den Steuersatz
Das Ganze hat auch eine Kehrseite: Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, können auch negativ sein und die Steuerlast mindern. Der negative Progressionsvorbehalt kann den Steuersatz sogar bis auf Null drücken. Das kann beispielsweise der Fall sein bei:
- Rückzahlungen von Lohnersatzleistungen, weil dir zunächst zu viel Krankengeld gezahlt wurde und du das in späteren Jahren wieder an die Krankenkasse zurückzahlst.
- Verlusten aus Geldeinlagen im Ausland, diese werden bei der Berechnung des Steuersatzes vom dem zu versteuernden Einkommen abgezogen. Denn schließlich haben die Verluste deine Leistungsfähigkeit gemindert und das sollte sich im Steuersatz widerspiegeln.
Muss ich eine Steuererklärung abgeben?
Ja. Wenn du Einkommens- oder Lohnersatzleistungen erhalten hast, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, musst du zwingend eine Steuererklärung abgeben.
Hast du mehr als 410 Euro an Lohnersatzleistungen erhalten, bist du verpflichtet eine Steuererklärung abzugeben. Es führt kein Weg daran vorbei.
Aber keine Sorge! Mit WISO Steuer geht die Erklärung ganz leicht, denn das Programm füllt die Lohnersatzleistungen ganz automatisch für dich in die Erklärung ein. Du musst nichts abtippen und schickst dann einfach mit einem Klick alles zum Finanzamt. So ist die Steuer schnell vom Tisch!
Lass deine Steuer automatisch ausfüllen
Die Hiobsbotschaft: Steuernachzahlung
Steuerfreie oder unversteuerte Einnahmen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, können Steuernachzahlungen auslösen. Dies solltest du bedenken, wenn du wissen möchtest, was von deinem Jahreseinkommen netto übrigbleibt.
Grund: Bei deinem laufenden Gehalt wird in einem Jahr der „normale“ Steuersatz – also der vor dem Progressionsvorbehalt – angewandt. Im Rahmen der Steuererklärung erhöhen Lohnersatzleistungen aber den Steuersatz. Deshalb wird auf dein Gehalt nachträglich der höhere Steuersatz angewandt. Die zu wenig gezahlte Steuer muss dann nachgezahlt werden.
Was passiert, wenn ich einfach keine Steuererklärung abgebe?
Das kann schlimme Folgen haben. Unter anderem eine saftige Strafe. Das Finanzamt kann 25 Euro pro Monat, in dem die Steuer nicht abgegeben wurde, fordern. verschiebst du also die Abgabe deiner Steuererklärung um ein Jahr sind das schon 300 Euro.
Mach es dir leicht und lass deine Steuer einfach automatisch ausfüllen. Das geht bei WISO Steuer ganz einfach: Aktiviere einfach den Steuer-Abruf.
Progressionsvorbehalt reduziert Steuervorteil bei ermäßigt besteuerten Einnahmen
Der Progressionsvorbehalt kann bei Einnahmen, die ermäßigt besteuert werden, z. B. hohe Abfindungen bei Kündigung, besonders hart zuschlagen: Treffen diese mit anderen Einnahmen zusammen, kann der Steuervorteil aus der ermäßigten Besteuerung schnell verloren gehen.
In extremen Fällen kann es sein, dass der Steuersatz derartig nach oben schnellt, dass plötzlich eine Steuernachzahlung in Höhe des zuvor bezogenen Lohnersatzes fällig wird. Diesen Effekt solltest du im Auge haben und eventuell vorbeugende Maßnahmen ergreifen.
Wann muss ich den Lohnersatz in die Steuererklärung eintragen?
Für die Besteuerung bzw. den Progressionsvorbehalt ist entscheidend, wann das Geld auf dein Konto eingeht. So musst du zum Beispiel das Arbeitslosengeld in dem Jahr in die Steuererklärung eintragen, in dem es auf dein Konto gutgeschrieben wurde.
Ausnahmen regelmäßige Zahlungen
Eine Ausnahme gibt es dagegen bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen – also bereits ab 3 Zahlungen. Wenn dir diese kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Ende des Kalenderjahres zufließen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, gelten sie als in dem Kalenderjahr bezogen, für das sie geleistet wurden. Als „kurze Zeit“ gelten maximal 10 Tage, also ein Zeitraum vom 21. Dezember – 10. Januar.
Beispiel Progressionsvorbehalt und Jahreswechsel
Kann ich den Progressionsvorbehalt und die Steuernachzahlung umgehen?
Nein, das ist nicht möglich. Denn das jeweilige Institut ist verpflichtet, die Lohnersatz-Zahlungen zu melden. Das Finanzamt weiß also, wann und wie viel Lohnersatz du erhalten hast und dass du eine Steuererklärung abgeben musst. Die Erklärung solltest du nicht auf die lange Bank schieben, andernfalls drohen Verspätungszuschläge von mindestes 25 Euro pro Monat!
Das kannst du tun, um die Steuernachzahlung gering zu halten
Wenn möglich, vermeide steuerermäßigte Einnahmen mit Lohnersatzleistungen im gleichen Jahr – beispielsweise bei Abfindungen und Arbeitslosengeld.
Ausgaben vorziehen
Ziehe Ausgaben ins Jahr von ermäßigt besteuerten Einnahmen. Diese können einen ähnlich extremen Effekt wie der Progressionsvorbehalt haben – allerdings positive, denn sie reduzieren die Steuerrückzahlung. Besonders könnten hier Altersvorsorgeaufwendungen oder Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wirken, die vorausgezahlt werden.
Weitere Kosten drücken die Rückzahlung
Du kannst auch Handwerkerrechnungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen absetzen und damit noch mehr Vorteil herausschlagen.
Noch mehr absetzbare Kosten findest du in unserem Beitrag: Was kann man von der Steuer absetzen?
Etwas Spielraum hast du bei einer Zusammenveranlagung mit deinem Partner
Lassen sich Paare zusammen veranlagen, zahlt auch derjenige Partner, der keinen Lohnersatz erhalten hat, mehr Steuern. Hier gilt es abzuwägen, ob eine Einzelveranlagung oder der Splittingtarif für euch vorteilhafter ist.
Bei dieser wichtigen Entscheidung hilft dir WISO Steuer: Lass das Programm einfach automatisch ausrechnen, welche Variante für euch am günstigsten ist. Das beste: WISO Steuer füllt die Erklärung automatisch für dich aus. Auch die Lohnersatzleistungen werden eingetragen. Die Formulare für Lohn, Renten und vieles mehr werden automatisch in der Steuererklärung ausgefüllt – und du sparst dir das Abtippen.
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