Kalte Progression: Wenn die Gehaltserhöhung verpufft

So steht es um den Abbau der schleichenden Steuererhöhung

Die Bundesregierung hat Maßnahmen zum Abbau der kalten Progression beschlossen. Doch was ist das überhaupt? Und wie wirkt sich das auf mein Geld aus?

Kurz & knapp

  • Die kalte Progression sorgt dafür, dass du trotz Lohnerhöhung weniger Nettoeinkommen hast
  • Sie trifft Geringverdiener härter als Besserverdiener
  • Zum Abbau der kalten Progression hat die Bundesregierung einige Maßnahmen beschlossen
  • Davon sollen insgesamt 48 Millionen Bürger profitieren

Was ist die kalte Progression überhaupt?

„Herzlichen Glückwunsch, Sie bekommen eine Gehaltserhöhung!“ – Das klingt erst einmal großartig, oder? Mehr Geld auf dem Konto, mehr finanzielle Freiheit – wer möchte das nicht? Aber hier kommt die kalte Progression ins Spiel.

Die kalte Progression ist ein Phänomen, das auftritt, wenn Einkommenssteigerungen lediglich die Inflation ausgleichen, aber keine realen Einkommenszuwächse darstellen. Gleichzeitig rutschen Arbeitnehmer dadurch in einen höheren Steuersatz und müssen einen größeren Anteil ihres Einkommens an den Staat abgeben. Man zahlt also mehr Steuern, ohne tatsächlich mehr Kaufkraft zu haben.

Das bedeutet, dass du trotz deiner Gehaltserhöhung nicht in dem Maße von ihr profitierst, wie du es vielleicht erwartet hast. Du verdienst zwar mehr, aber durch die höhere Steuerlast bleibt am Ende weniger Geld für dich übrig. Die kalte Progression sorgt also dafür, dass der Anstieg deines Einkommens durch die Steuern zum Teil aufgefressen wird.

Beispiel Arbeitnehmer

Beispiel: Kalte Progression

Du verdienst 3.500 Euro brutto im Monat und bist in der Steuerklasse 1. Von deinem Chef erhältst du eine Gehaltserhöhung von 3 Prozent – also um 105 Euro brutto. Davon bleiben dir aber netto nur 54,16 Euro – also nur 2,35 Prozent.

Der Grund für diese Differenz ist der höhere Steuersatz, den du aufgrund des höheren Bruttoeinkommens von nunmehr 3.605 Euro bezahlen musst. Die steuerliche Belastung wächst also stärker als dein Bruttoeinkommen – von 14,69 Prozent auf 15,03 Prozent.

Gleichzeitig steigen die Preise infolge der Inflation. Schon bei einer Inflationsrate von 1 Prozent bleiben von der Gehaltserhöhung nur noch 1,35 Prozent. Die aktuelle Inflationsrate von 6,4 Prozent (Juni 2023) würde eine solche Gehaltserhöhung komplett auffressen.

Wie kann ich die kalte Progression berechnen?

Hier ist eine grobe Vorgehensweise zur Berechnung der kalten Progression:

  • Berechne die Differenz zwischen den Bruttoeinkommen vor und nach der Lohn- oder Gehaltserhöhung.
  • Berücksichtige die Inflationsrate im betreffenden Zeitraum.
  • Überprüfe die Steuerprogressionstabellen oder Steuertarife, um den Steuersatz für beide Bruttoeinkommen zu ermitteln.
  • Berechne die Steuerdifferenz zwischen beiden Bruttoeinkommen.
  • Vergleiche die Steuerdifferenz mit der Differenz der Lohn- bzw. Gehaltserhöhung und der Inflation. Eine größere Steuerdifferenz deutet auf das Vorliegen der kalten Progression hin.

Entwicklung der Inflationsrate im Überblick:

JahrInflationsrate in %
2024Juni: 2,2*
20235,3
20226,9
20213,1
20200,5
*vorläufig; Quelle: Destatis

Wer ist von der kalten Progression besonders betroffen?

Geringverdiener und Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen sind besonders von der kalten Progression betroffen, da ihre Einkommenssteigerungen häufig dazu führen, dass sie in höhere Steuerstufen rutschen. Dies liegt am deutschen Einkommensteuersystem, das eine progressive Besteuerung vorsieht.

Bis zum Grundfreibetrag ist das Einkommen steuerfrei. Jeder zusätzlich verdiente Euro führt bereits dazu, dass der Eingangssteuersatz von 14 Prozent greift. Die Progressionskurve, die den Verlauf des Einkommensteuertarifs grafisch darstellt, steigt also steil an für niedrigere Einkommen (von 0 auf 14 Prozent), während sie für höhere Einkommen deutlich flacher verläuft.

Ab einem zu versteuernden Einkommen von 62.825 Euro pro Jahr verläuft die Progressionskurve seitwärts, da der Steuersatz konstant bei 42 Prozent (Spitzensteuersatz) bleibt. Erst wenn das zu versteuernde Einkommen 277.826 Euro erreicht, gibt es einen Sprung im Steuertarif auf den Reichensteuersatz von 45 Prozent. Die kalte Progression betrifft also Besserverdienende deutlich weniger.

Hier der Steuertarifverlauf für 2023:

Wird die kalte Progression abgeschafft?

In Deutschland gibt es Bestrebungen, die kalte Progression abzuschaffen oder zumindest zu mildern. Um der kalten Progression entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung das sogenannte Inflationsausgleichsgesetz auf den Weg gebracht. Ziel ist, die Steuerlast an die Inflation anzupassen. Darin sind einige Maßnahmen, die zum Abbau der kalten Progression beitragen sollen.

Profitieren sollen alle, die Einkommensteuer zahlen. Laut Bundesfinanzministerium wären das etwa 48 Millionen Menschen in Deutschland, darunter Arbeitnehmer, Selbstständige, Rentner sowie selbsthaftende Unternehmer. Im Schnitt soll die Entlastung 192 Euro pro Person betragen. Durch die Erhöhung des Grundfreibetrags werden rund 270.000 Bürger komplett von der Einkommensteuer befreit.

Im Kampf gegen die Inflation: Maßnahmen zum Abbau der kalten Progression

  • Anhebung des Grundfreibetrags: 2023 wurde der Grundfreibetrag auf 10.908 Euro angehoben (2022: 10.347 Euro). Zum 1. Januar 2024 steigt er auf 11.604 Euro. Die Bundesregierung plant sogar, ihn im Lauf des Jahres 2024 rückwirkend auf 10.784 Euro zu erhöhen. Ein entsprechendes Gesetz muss jedoch erst noch verabschiedet werden.Davon profitieren Geringverdiener stärker als diejenigen mit einem höheren Einkommen. Denn dadurch müssen insgesamt weniger Menschen Einkommensteuer zahlen. Das betrifft auch viele Rentner – insgesamt etwa 75.000 Personen –, die vorher Steuern zahlen mussten.
  • Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags: Seit 2023 beträgt das Kindergeld monatlich für das erste und jedes weitere Kind einheitlich 250 Euro. Auch die Kinderfreibeträge steigen: 2024 betragen sie für jeden Elternteil 4.656 Euro (2023: 4.476 Euro). Nach Regierungsplänen könnten sie sogar rückwirkend auf 4.770 Euro erhöht werden.Davon profitieren alle Familien. Die Erhöhung soll auch für einkommensschwache Familien gelten, welche keine Einkommensteuer zahlen.
  • Anpassung des Einkommensteuertarifs: Um die kalte Progression trotz Inflation auszugleichen, sollen die sogenannten Tarifeckwerte angepasst werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift 2024 ab 66.761 Euro statt bisher bei 62.810 Euro.Der Steuersatz der Einkommensteuer liegt zwischen 14 und 45 Prozent. Wer mehr verdient, muss mehr Einkommensteuer zahlen. Die Inflation trifft Geringverdiener stärker, da sie weniger finanzielle Mittel besitzen, um die gestiegenen Preise abzufedern. Der Betrag des Ausgleichs bleibt daher ab einem Einkommen von 61.972 Euro konstant. Dadurch soll vermieden werden, dass Menschen mit sehr hohem Einkommen stärker profitieren als Personen, deren Einkommen geringer ist.

FAQ: Kalte Progression

Der Abbau der kalten Progression bezieht sich auf Maßnahmen zur Reduzierung der negativen Auswirkungen. Ziel ist es, Arbeitnehmern bei Lohn- oder Gehaltserhöhungen einen echten Einkommenszuwachs zu ermöglichen. Dies wird durch Anpassungen der Steuertarife und Erhöhungen von Freibeträgen erreicht. Das Ziel ist eine gerechtere Verteilung der Steuerlast und Stärkung der Kaufkraft.
In Deutschland gibt es Bestrebungen, die kalte Progression abzuschaffen oder zu mildern. Die Bundesregierung hat Maßnahmen ergriffen, wie das Inflationsausgleichsgesetz, um der kalten Progression entgegenzuwirken. Ziel ist es, dass Arbeitnehmer bei Lohn- und Gehaltserhöhungen tatsächlich mehr Nettoeinkommen haben. Die endgültige Abschaffung oder Reduzierung hängt von politischen Entscheidungen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab.
Vor allem Menschen mit geringen und mittleren Einkommen leiden unter der kalten Progression.
Vom Ausgleich der kalten Progression profitieren alle Einkommensteuerzahler, darunter Arbeitnehmer, Selbstständige und Rentner. Maßnahmen wie die Anpassung der Steuertarife und Erhöhung von Freibeträgen sollen sicherstellen, dass Lohn- und Gehaltserhöhungen nicht durch höhere Steuerlasten aufgezehrt werden. Das Ziel ist eine gerechtere Verteilung der Steuerlast und eine Stärkung der Kaufkraft. Zudem werden durch den erhöhten Grundfreibetrag bestimmte Personen vollständig von der Einkommensteuer befreit.
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Quelle: BMF; Destatis, Pressemitteilung vom 29. Juni 2023