Künftig werden die Beiträge freiwillig versicherter Selbstständiger in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Grundlage des Vorjahres-Einkommensteuerbescheids vorläufig festgesetzt: Erst wenn der Steuerbescheid für das betreffende Kalenderjahr vorliegt und somit die tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einkünfte feststehen, verschickt die Krankenkasse den endgültigen Beitragsbescheid.
Das war bislang anders: Vorläufige Betragsbescheide und rückwirkende Beitragsanpassungen sah das deutsche Sozialversicherungsrecht nur in Ausnahmefällen vor – etwa bei Existenzgründern, deren Beiträge im ersten Geschäftsjahr zwangsläufig auf Schätzungen beruhen. Der Ausschluss rückwirkender Beitragsanpassungen ist in § 240 Abs. 4 SGB V geregelt.
Dort heißt es: „Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises […] können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden.“
Diese Vorschrift entfällt ab Januar 2018 ersatzlos. Stattdessen heißt es im neuen Absatz 4a: „Die […] vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt.“
Damoklesschwert Beitragserhöhung
Freiwillig versicherte GKV-Mitglieder müssen ab 2018 Jahr für Jahr mit Beitrags-Nachzahlungen rechnen. Da die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für viele Selbstständige eine hohe Belastung darstellen, wird die Gefahr nachträglicher Beitragserhöhungen für Verunsicherung sorgen. Zwar sind künftig auch Beitragserstattungen möglich: In deren Genuss kommen aber weit weniger GKV-Mitglieder, weil sich ja am fiktiven Mindesteinkommen nicht ändert (mehr dazu weiter unten).
Dem Versuch, den endgültigen Beitragsbescheid durch verzögerte Vorlage des Steuerbescheids hinauszuzögern, hat der Gesetzgeber übrigens auch vorgebeugt: Falls das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nachweist, wird rückwirkend der GKV-Höchstbeitrag in Rechnung gestellt. Berechnungsgrundlage ist dann die Beitragsbemessungsgrenze des betreffenden Jahres.
Dreifache Benachteiligung
Für den Mindestbeitrag spielen die im jeweiligen Kalenderjahr „tatsächlich erzielten Einnahmen“ hingegen keine Rolle: Während die Bemessungsgrundlage von gering verdienenden Pflichtversicherten bei 450 Euro liegt, werden die Beiträge von freiwillig versicherten Selbstständigen weiterhin auf Basis von 75 % der monatlichen Bezugsgröße ermittelt. Die liegt im Jahr 2017 bei 2.975 Euro. Daraus ergibt sich ein fiktives Mindesteinkommen von immerhin 2.231,25 Euro! Bei einem durchschnittlichen Beitragssatz von 17,5 % in der Kranken- und Pflegeversicherung führt das zu einem Mindestbeitrag von rund 390 Euro. Zum Vergleich: Der Mindestbeitrag von Arbeitnehmern beträgt mit weniger als 30 Euro noch nicht einmal ein Zwölftel!
Hinzu kommt: Anders als bei Arbeitnehmern werden bei freiwillig versicherten Selbstständigen grundsätzlich alle Einkunftsarten berücksichtigt. Zum beitragspflichtigen Einkommen gehören also nicht nur die Gewinne aus der selbstständigen Tätigkeit oder einem Gewerbebetrieb, sondern auch …
- Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung,
- Erträge aus Kapitalvermögen wie Zinsen oder Dividenden,
- Gehälter aus nebenberuflichen Beschäftigungsverhältnissen sowie
- Renten.
Das ist bei hauptberuflichen Arbeitnehmern nicht der Fall. Selbstständige GKV-Mitglieder zahlen ihre Krankenkassenbeiträge also vielfach auf einer wesentlich höheren Bemessungsgrundlage. Nimmt man hinzu, dass sie auch noch den Arbeitgeberbeitrag selbst tragen müssen, sind freiwillig gesetzlich krankenversicherte Selbstständige sogar dreifach benachteiligt.
[two_third]Lektüretipp:Ausführliche Informationen zu den oft unverhältnismäßig hohen Beiträgen freiwillig versicherter Selbstständiger in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung finden Sie auf der Website des „Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland“. Wegen der systematischen Benachteiligung von Selbstständigen bei den GKV-Beiträgen hat der VGSD eine Petition für faire Beiträge gestartet. Mit guten Aussichten auf Erfolg: Ein Bericht des ZDF-Magazins Frontal 21 zeigt, dass das Absenken der Mindestbemessungsgrenze bereits Gegenstand der laufenden Jamaika-Koalitionsverhandlungen ist.[/two_third] [one_third_last][/one_third_last]