Arbeit auf Abruf mit variablen Arbeitszeiten ist durchaus zulässig. Allerdings versteckt sich im Gesetz eine Regelung, die für Probleme sorgen kann: Macht der Arbeitsvertrag keine Vorgabe zur Arbeitszeit, gelten zwanzig Wochenstunden. Und auf deren Bezahlung hat der Beschäftigte selbst dann Anspruch, wenn er weniger arbeitet.
„Arbeit auf Abruf“ im Arbeitsvertrag: arbeitsrechtlich problemlos möglich
Nicht zu jedem Job passen feste, gleichbleibende Arbeitszeiten. Oft schwankt der anfallende Arbeitsbedarf. So wird etwa im Event-Management oder bei Sicherheitsdienstleistern, aber auch in vielen anderen Branchen, Personal nicht stets im gleichen Zeitumfang benötigt.
Dafür gibt es das arbeitsrechtlich anerkannte Modell „Arbeit auf Abruf“. Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge enthält dazu mit § 12 TzBfG einen eigenen Paragrafen. Es ist völlig legitim, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine verbindlichen, gleichbleibenden Arbeitszeit-Kontingente vereinbaren und stattdessen die Dauer der Arbeitszeit schwankt.
Keine Festlegung? Dann sind 20 Wochenstunden und drei Stunden täglich vereinbart
Die Flexibilität der Arbeit auf Abruf ist für viele Arbeitgeber interessant. Das Gesetz enthält allerdings wichtige Einschränkungen – und die können leicht zur Stolperfalle werden:
- Auch bei Arbeit auf Abruf muss der Arbeitsvertrag eine tägliche und die wöchentliche Arbeitszeit begrenzen, entweder als Mindest- oder als Höchstarbeitszeit.
- Fehlt diese Begrenzung, gelten von Gesetz wegen 20 Wochenstunden und mindestens drei Arbeitsstunden pro Tag als vereinbart.
- Wurden eine bestimmte Tages- und Wochenarbeitszeit als Mindeststunden festgelegt, darf der Arbeitgeber maximal 25 Prozent mehr an Wochenarbeitszeit abrufen. Bei 12 festgelegten Wochenstunden kann er auf maximal 15 Wochenstunden bestehen.
- Wurde ein Kontingent an Tages- und Wochenstunden als Höchststunden fixiert, darf der Arbeitgeber es bei den wöchentlichen Arbeitsstunden maximal um 20 Prozent unterschreiten. Steht ein Maximalwert von 20 Wochenstunden im Vertrag, muss der Arbeitgeber den Beschäftigten mindestens 18 Stunden arbeiten lassen.
Bezahlt werden muss trotzdem …
Arbeitnehmer haben bei Arbeit auf Abruf Anspruch auf Bezahlung der vorgegebenen Arbeitsstunden, selbst wenn diese sich nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern aus dem Gesetz ergeben. Das gilt auch dann, wenn sie tatsächlich weniger gearbeitet haben. Zwei Beispiele:
- Die Beschäftigte ist auf Abruf angestellt. Die Arbeitsstunden sind im Arbeitsvertrag nicht festgelegt. Sie hat vom 01. Juli bis 31. Dezember durchschnittlich sechs Stunden pro Woche gearbeitet. Insgesamt sind das 126 Arbeitsstunden. Aufgrund der Regelungen in § 16 TzBfG kann sie von ihrem Arbeitgeber aber die Bezahlung von jeweils zwanzig Wochenstunden, insgesamt also 520 Arbeitsstunden verlangen.
- Der Arbeitnehmer hat einen Arbeitsvertrag auf Abruf mit einer Wochen-Höchststundenzahl von zehn Stunden. In den letzten vier Wochen wurde er jedoch nur für vier Stunden pro Woche eingesetzt. Da er laut Gesetz Anspruch auf mindestens acht Wochenstunden Arbeit hat, kann er die Bezahlung von 32 statt nur von 16 Arbeitsstunden fordern.
Mögliches Problem: die Phantomlohn-Falle
Im Arbeitsrecht ist in solchen Fällen davon die Rede, dass der Arbeitgeber mit der „Annahme der Arbeitsleistung“ in Verzug gerät: er hätte Anspruch darauf gehabt, dass der Arbeitnehmer eine entsprechende Anzahl von Stunden arbeitet, hat davon aber keinen Gebrauch gemacht. Da dieser „Annahmeverzug“ nicht die Schuld des Arbeitnehmers ist, kann dieser für die Minusstunden trotzdem seine Bezahlung verlangen.
Dieser Anspruch wird vielen Beschäftigten nicht bekannt sein, so dass der Arbeitgeber häufig um die Bezahlung der Phantomstunden herumkommt. Gegenüber den Sozialversicherungsträgern sollte er sich darauf jedoch nicht verlassen. Die Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung kennen die Rechtslage genau und achten besonders auf Beschäftigungsverhältnisse mit Arbeit auf Abruf.
Haben die Arbeitnehmer zu wenig an Stunden geleistet, entsteht aus Sicht des Prüfers „Phantomlohn“: nicht bezahlte Stunden, auf deren Vergütung der Beschäftigte Anspruch hatte. Damit haben auch die Rentenversicherung, die Krankenkasse und die Arbeitsagentur Anspruch auf die Sozialversicherungsbeiträge, die auf den nicht geflossenen Lohn entfallen. Dies gilt grundsätzlich für vier Jahre rückwirkend. Diese Forderungen wird der Betriebsprüfer geltend machen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber sowohl für die Arbeitnehmer- wie für die Arbeitgeberanteile geradestehen.
Besonders riskant: die Minijob-Falle
Zu einem besonderen Problem wird die Phantomlohn-Falle, wenn es um einen Minijob geht. Angenommen, im Arbeitsvertrag wird ein geringfügiges und damit sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis und gleichzeitig Arbeit auf Abruf vereinbart, die Festlegung der Tages- und Wochenarbeitszeit jedoch versäumt.
In diesem Fall ergibt sich eine gesetzlich vorgegebene Arbeitszeit von zwanzig Wochenstunden – und damit ist aufgrund des ebenfalls gesetzlich vorgegebenen Mindestlohns die Geringfügigkeitsgrenze überschritten.
Ein Beispiel zeigt, warum das so ist: 2024 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,41 Euro pro Stunde, die monatliche Einkommensgrenze für Minijobs entspricht 538 Euro. Der übliche Umrechnungsfaktor von Wochen- in Monatsstunden ist 4,35. Somit entsprechen 20 Wochenstunden 87 Monatsstunden. Da diese mit jeweils 12,41 Euro vergütet werden müssen, liegt der Monatslohn-Anspruch bei 1079,67 Euro – weit höher als die maximal 538 Euro für einen Minijob.
Statt einer geringfügigen liegt also eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor. Auch in diesem Fall haftet der Arbeitgeber für Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Und natürlich kann der oder die Beschäftigte die Lohn-Differenz nachträglich geltend machen.
Immerhin: Längere Arbeitszeiten führen nicht zu einem höheren Lohnanspruch
Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht vor einiger Zeit festgestellt, dass vorübergehend längere Arbeitszeiten bei einem Arbeitsvertrag auf Abruf nicht automatisch zu einem dauerhaft höheren Anspruch auf Arbeitsstunden beziehungsweise Lohn führen.
Geklagt hatet eine Beschäftigte, die als Abrufkraft eingestellt worden war, ohne Festlegung der Arbeitszeit. Sie hatte zunächst für etwa zwei Jahre deutlich mehr als 20 Wochenstunden geleistet. Als der Arbeitgeber später ihre Abrufzeiten reduzierte, wollte sie weiterhin den höheren Lohn für die früheren, längeren Arbeitsstunden haben. Diesen Anspruch verwarf das Bundesarbeitsgericht jedoch: die vereinbarte Arbeitszeit lag weiterhin bei den gesetzlich vorgegebenen 20 Wochenstunden, ihr Lohnanspruch blieb auf der entsprechenden Höhe (BAG, 18.10.2023 – 5 AZR 22/23).
Ganz wichtig: korrekte Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeiten
Bei Arbeit auf Abruf ist die exakte Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden besonders wichtig. Nur damit lassen sich unberechtigte Ansprüche von Mitarbeitern oder Sozialversicherungsträgern verlässlich abwehren.
Pflicht ist die Arbeitszeiterfassung ohnehin, und zwar bei allen Beschäftigungsverhältnissen, unabhängig von der vereinbarten Arbeitszeit. Besonders sicher, komfortabel und natürlich digital dokumentieren Sie die Arbeitsstunden Ihrer Mitarbeiter mit WISO MeinBüro Personal. Die Software unterstützt Sie zudem bei der vorbereitenden Lohnbuchhaltung und bei der Verwaltung der digitalen Personalakten. Testen Sie WISO MeinBüro Personal kostenlos – gleich jetzt!