Wussten Sie, dass sich auch Freiberufler und Unternehmer gegen Arbeitslosigkeit versichern können? Die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige nennt sich im Behördenjargon „Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag“. Geregelt ist das Versicherungsangebot an Gründer in § 28a SGB III.
Von dieser Möglichkeit machten zuletzt immer weniger Selbstständige Gebrauch. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat sich die Zahl der freiwillig versicherten Selbstständigen in den letzten Jahren nahezu halbiert. Zuletzt waren nur noch gut 80.000 Selbstständige gegen Arbeitslosigkeit versichert. Die sinkende Nachfrage nach dem Versicherungsschutz ist auf zwischenzeitlich stark gestiegene Prämien und verschlechterte Konditionen zurückzuführen.
Trotzdem: Ein Blick auf die aktuellen Versicherungsbedingungen lohnt sich durchaus. Denn mit Monatsbeiträgen zwischen 36 Euro und 78 Euro können arbeitslose Selbstständige laufende Arbeitslosengeldansprüche von bis zu 1.600 Euro erwerben!
Bei riskanten Gründungen und / oder besonders hohem persönlichem Sicherheitsbedürfnis (z. B. von Familienvätern und -müttern) kann die Antragspflichtversicherung daher eine sinnvolle Option sein. Das gilt vor allem für die ersten zwölf Monate: In diesem Zeitraum gewährt der Gesetzgeber einen 50-prozentigen Beitragsnachlass. Doch der Reihe nach:
Vielfältige Versicherungsvoraussetzungen
Für die Antragspflichtversicherung müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Der Antragsteller …
- macht sich hauptberuflich selbstständig (zeitlicher Aufwand mindestens 15 Wochenstunden),
- war innerhalb der letzten zwei Jahre vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit mindestens 12 Monate als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt und / oder
- hatte unmittelbar vor der Existenzgründung Anspruch auf eine „Entgeltersatzleistung“ nach dem SGB III (z.B. Arbeitslosengeld I, nicht jedoch Arbeitslosengeld II!).
Wichtig: Das Versicherungspflichtverhältnis muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beantragt worden sein. Selbstständige, die diese Ausschlussfrist verpassen, können sich nicht mehr freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern. Es sei denn, sie wechseln zwischenzeitlich in ein Angestelltenverhältnis, erwerben dort neue Ansprüche und machen sich dann noch einmal selbstständig.
Berechnung der Monatsbeiträge
In der Arbeitslosenversicherung gilt der allgemeine Beitragssatz von 2,5% des beitragspflichtigen Einkommens auch für Selbstständige. Da deren Einkommen schwankt und oft erst Monate oder gar Jahre später genau feststeht, wird bei selbstständigen Versicherten hilfsweise ein fiktives Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt. Die sogenannte „monatliche Bezugsgröße“ liegt im Jahr 2019 bei …
- 870 Euro (neue Bundesländer) und
- 115 Euro (alte Bundesländer).
In den ersten 12 Monaten sind nur 50% der Bezugsgröße beitragspflichtig. Freiwillig Versicherte müssen demnach mit folgenden Monatsbeiträgen rechnen (Stand: 2019).
Am Jahresende stellt die Arbeitsagentur einen Nachweis über die gezahlten Beiträge aus. Diese Beitragsnachweise sollten Sie gut verwahren: Sie müssen im Fall der Arbeitslosigkeit zusammen mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld eingereicht werden.
Bitte beachten Sie:
- Das Antragsformular für das „Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag – selbstständige Tätigkeit“ steht auf der BA-Website zum Download bereit (PDF, 690 KB).
- Dort finden Sie auch die amtlichen „Hinweise zum Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag in der Arbeitslosenversicherung“ (PDF, 117 KB).
- Gemäß 138 SGB III gelten Versicherte als arbeitslos, wenn sie in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, sich um die Beendigung der Beschäftigungslosigkeit bemühen, den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und sich arbeitslos gemeldet haben.
- Drohende Arbeitslosigkeit müssen Versicherte der Arbeitsagentur laut 17 SGB III anzeigen.
Wichtig: Eine Beendigung der Selbstständigkeit (z. B. Gewerbeabmeldung) ist nicht erforderlich, um ALG I zu beziehen!
Das Ausüben selbstständiger Tätigkeiten von bis zu 15 Wochenstunden (inklusive Vor- und Nachbereitungszeiten sowie Verwaltungsaufgaben und Bereitschaftszeiten) ist trotz Arbeitslosigkeit zulässig. Während der Arbeitslosigkeit erzielte Einnahmen müssen der Arbeitsagentur jedoch mitgeteilt werden. Solche Nebeneinkünfte mindern den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I)
Das ALG I wird vorrangig auf Grundlage der bereits vor der Selbstständigkeit erworbenen Ansprüche berechnet. Das gilt jedoch nur solange, wie der Versicherte in den letzten zwei Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit und mindestens 150 Tage Einkommen aus einer beitragspflichtigen Arbeitnehmertätigkeit bezogen hat.
Auch nach Ablauf dieser Frist wird das Arbeitslosengeld nicht auf Basis des tatsächlichen Gewinns aus der Selbstständigkeit ermittelt. Berechnungsgrundlage sind vielmehr …
- die jährliche Bezugsgröße (neue Bundesländer: 34.440 Euro; alte Bundesländer: 37.380 Euro)
- in Verbindung mit dem höchsten formalen Berufsausbildungsabschluss des Versicherten.
Wichtig: Ob diese Qualifikation für die ausgeübte selbstständige Tätigkeit erforderlich ist oder nicht, spielt keine Rolle. Entscheidend ist der Berufsabschluss des jeweiligen Versicherten, den die Arbeitsagentur bei ihren Vermittlungen zugrunde legt.
Vier Qualifikationsgruppen
- 152 SGB III unterscheidet die folgenden vier Qualifikationsgruppen:
- Qualifikationsgruppe I: Hochschul- oder Fachhochschulausbildung
- Qualifikationsgruppe II: Fachschule / Meister
- Qualifikationsgruppe III: abgeschlossene Berufsausbildung
- Qualifikationsgruppe IV: keine Berufsausbildung
Verallgemeinerbare Aussagen über die konkrete Höhe des Arbeitslosengeldes I lassen sich nicht machen. Die Berechnung der Entgeltersatzleistung hängt unter anderem ab vom Wohnort (alte oder neue Bundesländer), von der Kinderzahl sowie der Steuerklasse des Versicherten.
Als grobe Anhaltspunkte ergeben sich bei den einzelnen Qualifikationsgruppen folgende Beträge für das monatliche Arbeitslosengeld I (Steuerklasse III, ohne Kind):
Dauer des ALG-I-Bezugs
Auch über die Dauer des Arbeitslosengeld-Bezugs lassen sich keine generellen Aussagen machen. Der Anspruch auf Versicherungsleistungen hängt ab …
- vom Lebensalter des Versicherten und
- von den Versicherungszeiten, die in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit liegen.
Daraus ergeben sich grundsätzlich die folgenden ALG-I-Anspruchszeiten:
Bitte beachten Sie: Die Bundesagentur für Arbeit hat die wiederholte Arbeitslosmeldung von Selbstständigen vor einigen Jahren deutlich erschwert. Eine Rückkehr in die freiwillige Versicherung ist nach der zweiten Arbeitslosmeldung nur möglich, wenn der Betroffene zwischen erster und zweiter Arbeitslosigkeit neue Ansprüche erworben hat. Das ist üblicherweise dann der Fall, wenn der Versicherte zwischenzeitlich wieder mindestens 12 Monate lang Beiträge gezahlt hat. Keine Rolle spielt dabei, ob die neuen Ansprüche …
- während einer Beschäftigung erworben werden (= sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer-Tätigkeit) oder
- im Rahmen einer Antragspflichtversicherung (= freiwillig versicherter Selbstständiger) entstehen.
Fazit
Ob sich die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige lohnt, kommt auf den Einzelfall an. Wer ein riskantes Gründungskonzept verfolgt, eine Familie versorgen muss oder aus anderen Gründen ein besonders großes Sicherheitsbedürfnis hat, ist mit der Antragspflichtversicherung unter Umständen gut bedient.
Bei einem anfänglichen Monatsbeitrag von unter 40 Euro und einem Arbeitslosengeld von bis zu 1.600 Euro pro Monat ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis vor allem für Versicherte mit einem hohen formalen Bildungsabschluss attraktiv. Zumal die freiwillige Versicherung jederzeit beendet werden kann: Wer drei Monate mit seinen Beitragszahlungen im Rückstand ist, fällt automatisch aus der Versicherung heraus.
Wichtig: Bis dahin erworbene Ansprüche bleiben erhalten. Nicht mehr geltend gemacht werden kann ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erst dann, wenn ein neuer Anspruch entsteht oder nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Das ist in § 161 SGB III geregelt.
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