Die sprichwörtliche „German Angst“ bestimmt geschäftliche Entscheidungen hierzulande stärker als anderswo auf der Welt. Angst vor Misserfolgen gilt zusammen mit einem ausgeprägten Sicherheitsdenken als einer der wichtigsten Gründe dafür, dass die Quote der Selbstständigen in Deutschland mit unter zehn Prozent im internationalen Vergleich noch immer sehr niedrig liegt.
Um das Risiko des Scheiterns in der Selbstständigkeit zu vermeiden, begehen viele unzufriedene Arbeitnehmer beruflichen „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“: Angesichts fehlender Entwicklungsmöglichkeiten ziehen sie die innere Kündigung dem selbstbewussten Schritt in die Selbstständigkeit vor.
Nun hat die Angst vor möglichen Fehlschlägen ja durchaus rationale Hintergründe: Wenn eine vielköpfige Familie versorgt werden muss, kein Spargroschen für die Überbrückung der Anlaufphase zur Verfügung steht oder sich eine Geschäftsidee nur mit Millionenkrediten realisieren lässt, dann ist Vorsicht sicher ein guter Ratgeber.
Extremes Sicherheitsdenken ist aber weit darüber hinaus verbreitet:
- Angefangen beim hochbezahlten Manager, der auf dem betrieblichen Elefantenfriedhof frustriert dem Ruhestand entgegendämmert,
- über die hochqualifizierte Akademikerin, die nach dem Studium bei ihren wohlhabenden Eltern schon viel zu lange auf eine passende Stelle wartet,
- bis hin zum Hartz-IV-Single, der sich gern nützlich machen möchte – in seiner ländlichen Umgebung aber keine geeigneten Jobangebote bekommt.
Angst vorm Scheitern
Was sie und Millionen anderer begabter, erfahrener und engagierter Menschen daran hindert, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, sind nicht drohende Vermögensverluste oder mögliche Schuldenberge: Es ist die pure Angst vorm Misserfolg. Genauer gesagt, die Angst…
- Fehlentscheidungen zu treffen und sich zukünftige Möglichkeiten zu verbauen,
- an sozialem Status zu verlieren oder gar
- sich zu blamieren und vor Familie, Freunden und Nachbarn das Gesicht zu verlieren.
Das ist ja auch nur zu verständlich: Denn wer ist schon gern ein Versager? Bei genauerem Hinsehen gibt es aber für die scheinbare Kausalkette Fehler à Misserfolg à Scheitern à sozialer Verlierer kaum empirische Belege.
Versager vs. Warmduscher
Denn als Versager betrachtet man hierzulande ja gerade nicht den windigen (oft sogar bewunderten!) Bankrotteur, der Millionenkredite in den Sand setzt! Als Loser gelten vielmehr all die zaudernden Weicheier und Warmduscher, die ihre Talente ungenutzt lassen und andere Menschen oder die Umstände für ihr Unglück verantwortlich machen.
Wenn sich unter den Bedingungen rasanter gesellschaftlicher Veränderung überhaupt noch Aussagen machen lassen über die Gründe für sozialen Abstieg (oder verpassten sozialen Aufstieg), dann sind das vielmehr …
- ausgeprägtes Sicherheitsdenken,
- mangelnde Entscheidungsfreude und
- geringe Fehlerakzeptanz – gegenüber sich selbst und anderen.
Entlastende Schadenfreude
Das eigentliche Problem des Scheiterns findet denn auch nicht in den Köpfen anderer Menschen statt, sondern vielmehr im eigenen: Wer seine eigenen Reaktionen auf die Misserfolge seiner Umgebung beobachtet, wird sich nur in Ausnahmefällen bei aggressiver Schadenfreude in Form von Häme, Hohn oder Spott ertappen.
Und das gar nicht einmal aus Wohlanständigkeit: Vielmehr reagieren die meisten Menschen auf das Scheitern von Zeitgenossen mit ganz und gar friedlicher Schadenfreude in Form von Erleichterung, Entlastung und Selbstaufwertung: „Zum Glück ist mir das nicht passiert…“
Die Folge: Sie fühlen sich unweigerlich besser. Mehr noch: Genau genommen tun Sie Ihren Mitmenschen mit Pleiten, Pech & Pannen sogar einen Gefallen! 😊
Womit Gescheiterte in aller Regel schlimmstenfalls rechnen müssen, sind Hilfsangebote und ungebetene Ratschläge Wohlmeinender. Die werden vor allem dann zum Problem, wenn sie von Personen kommen, denen man sich selbst bislang überlegen fühlte.
Und damit schließt sich der Kreis: Die Angst vorm Scheitern und damit verbunden dem befürchteten Statusverlust ist immer dann besonders groß, wenn das eigene Statusdenken sehr ausgeprägt ist.
Fehlervielfalt und die Folgen
Die große Angst vor dem Scheitern und Versagen findet ihre Fortsetzung in den kleinen Befürchtungen des Berufsalltags – ganz gleich, ob in der Selbstständigkeit oder der relativen Sicherheit des Angestelltendaseins. Sie kommt zum Ausdruck…
- in der Furcht vor Fehlern,
- in mangelnder Experimentierfreude,
- im unproduktiven Rückzug ins stille Kämmerlein,
- in lähmendem Perfektionsbemühen,
- dem Versuch, es allen recht zu machen und
- der fehlenden Bereitschaft, die eigenen Interessen zu vertreten, Verantwortung zu übernehmen und Risiken einzugehen.
Dabei ist Fehlerbereitschaft bei Licht betrachtet die unverzichtbare Voraussetzung für jegliche Aktivität. Nur so finden kleine Kinder ihren Weg in die Welt. Nur wer nichts tut macht keinen Fehler – außer diesem einen entscheidenden, versteht sich.
Schadensbegrenzung mit Bordmitteln
Mindestens ebenso wichtig wie ein entspannteres Mindset: Mutige Selbstständige können die möglichen materiellen Folgen geschäftlicher Misserfolge auf ein überschaubares und beherrschbares Maß begrenzen:
- Fehler beim Schreiben von Angeboten, Auftragsbestätigungen, Rechnungen und Mahnungen lassen sich mit einer passenden Bürosoftware verhindern.
Lektüretipp: Ausführliche Informationen zum Thema Unterstützung für Gründer finden Sie im MeinBüro Blog. - Ärger mit dem Finanzamt vermeiden Sie, indem Sie Ihre Steuer- und Buchführungspflichten einem Steuerberater anvertrauen.
- Das Privatvermögen lässt sich durch geeignete Rechtsformwahl und Versicherungen gegen betriebliche Risiken schützen.
- Scheitern ist nicht strafbar: Wer die gesetzlichen Pflichten zum Schutz von Gläubigern einhält, muss selbst bei einer Insolvenz keine Strafen befürchten.
- Fördermittel und Beihilfen sind nicht erfolgsabhängig: Klappt ein Vorhaben nicht, muss niemand Rückzahlungen befürchten. Selbst Zweit- und Drittanträge sind möglich.
Nicht zu vergessen: Entstehen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schließlich doch Schulden, stellt das deutsche Insolvenzrecht redlichen Schuldnern nach einer drei- bis sechsjährigen Periode des Wohlverhaltens eine Restschuldbefreiung in Aussicht.
Neuer Anlauf: Next time better!
Geschäftliches Scheitern ist für viele Menschen nicht nur mit dem Makel des Versagens belegt. Es hat in Deutschland etwas geradezu Lebensbedrohliches: Während ein Unternehmer in den USA oft erst bei seinem zweiten oder dritten Start-Up so richtig ernst genommen wird, bleibt hierzulande vom ersten erfolglosen Versuch einer Existenzgründung gefühlt eine gescheiterte Existenz übrig.
In Wirklichkeit sind Wiederholungstäter in vielerlei Hinsicht objektiv in einer besseren Position – vorausgesetzt natürlich, ein Unternehmer zieht die richtigen Schlüsse aus dem vorangegangenen Misserfolg: Praktische Erfahrungen sind selbst dann hilfreich, wenn sie unerfreulich waren. Außerdem haben viele ursprünglich weiße Flecken der Geschäftswelt ihren Schrecken längst verloren:
- Angefangen bei Beschaffung und Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen
- über deren Präsentation auf der eigenen Website,
- Kundengespräche und Vertragsverhandlungen
- bis hin zu Personalführung, Buchführung und Jahresabschluss:
Mehrfachgründer wissen in etwa, was auf sie zukommt – und können es ab dem zweiten Anlauf leichter und schneller angehen lassen.
Fazit
Es lohnt sich, die Angst vor geschäftlichen Fehlschlägen konsequent zu Ende zu denken: Ein Großteil des Bedrohungsgefühls geht zurück auf fragwürdige eigene Glaubenssätze und unzutreffende Vermutungen über die Meinungen anderer Menschen. Wer sich davon frei(er) macht, kann die eigenen Potenziale viel besser entfalten.
Lektüretipp: Wie „Beautiful Losers“ mit Misserfolgen umgehen, zeigt Felix Maria Arnet in seinem klugen und gut lesbaren Ratgeber „Gescheit scheitern“. Der Autor weiß, worüber er schreibt: Nach der Insolvenz seiner Werbeagentur stand er vor zehn Jahren vor dem Aus – und startete ein erfolgreiches Comeback.
Weiterführende Informationen für Gründer
Im MeinBüro Blog finden Sie eine Menge Grundlageninformationen sowie Praxis- und Expertentipps für den Start in die Selbstständigkeit. Hier eine kleine Auswahl:
- Bootstrapping: Gründen mit wenig Geld
- WISO MeinBüro: Universal-Software für Gründer
- Gründer-News: Willkommen im MeinBüro-Club
- Vorlaufkosten: Vorweggenommene Betriebsausgaben nicht vergessen!
- Nummer Sicher? Welche Versicherungen brauchen Selbstständige wirklich?
- Businessplan: Wofür ist der gut – und was gehört rein?
- GmbH-Gründung? Gefährliche Geschäftsführerhaftung
- Kleinunternehmer-Regelung: Das ist ja einfach!
- Übersichtliche Stammdaten- und Kontaktpflege: Kaltakquise war gestern
- Modul Auftrag+: Profi-Tools zum Cappuccino-Tarif
- Modul CRM: Damit aus Interessenten Kunden werden
- Modul DATEV: Ihr direkter Draht zum Steuerberater
- Umsatzsteuer: Alles, was Sie wissen müssen